Der Frühling wird jedes Jahr aufs Neue als besonders hoffnungsvolle Saison ersehnt: Die Tage werden wärmer, die Natur blüht wieder auf, und damit auch die Menschen. So sieht es zumindest in der Theorie aus. Viele leiden jedoch gerade dann am meisten, wenn wir sonnigeren Zeiten begegnen.
Für viele Menschen ist der Frühling keine unbeschwerte Zeit der Hoffnung, im Gegenteil: Ihnen bringen diese Monate sogar tiefste Dunkelheit. Dies lässt sich anhand trauriger Statistik sehr deutlich ablesen: Suizid kommt nicht wie gerne angenommen in der Weihnachtszeit am häufigsten vor, sondern gerade jetzt, im Frühling. Dass ein Zusammenhang zur Jahreszeit besteht, wird auch dadurch suggeriert, wie plötzlich und rapide dieser Anstieg geschieht. Die Selbstmordzahlen wachsen in dieser Zeit stark an – laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien steigt die monatliche Selbstmordrate zwischen Februar und März um ganze 20 %, erst in den Sommermonaten sinkt sie wieder ab. Ein tragischer und starker Kontrast zu dem lieblichen und lebensbejahenden Bild, das man sich sonst gerne vom Frühling macht.
Wie lässt sich dies erklären? Die Beweggründe dafür, warum jemand keinen anderen Ausweg mehr sieht, sind natürlich äußerst komplex und individuell verschieden. Der mögliche Einfluss der Jahreszeit könnte sich allerdings vor allem auf zwei Hauptursachen herunterbrechen lassen – dem alljährlichen Pollenflug und der Frühjahrsdepression.
Zusammenhang zwischen Pollenflug und Depression?
Ein vermeintlich harmloses Leiden wie gewöhnlicher Heuschnupfen kann mitunter tragische Auswirkungen haben: Forscher der US-amerikanischen University of Maryland in Baltimore haben festgestellt, dass Menschen, die sowohl an einer Bipolaren Störung psychisch erkrankt sind, als auch mit einer Pollenallergie leben, zum Höhepunkt der Pollensaison eine Verschlimmerung ihrer depressiven Zustände erfahren.
Die lästigen Symptome einer Pollenallergie können den Schlaf massiv beeinträchtigen, wodurch eine wichtige Quelle der psychischen Regenierung wegfällt, und also auch Symptome einer Depression verstärkt werden können. Alleine damit ist ein Zusammenhang aber wohl kaum zu erklären. Stattdessen könnten darüber hinaus Zytokine verantwortlich gemacht werden – dies sind körpereigene Proteine, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind, so auch bei allergischen Reaktionen. Sowohl Menschen als auch Tiere zeigen bei erhöhten Zytokin-Werten veränderte Verhaltensweisen: Erhöhte Ängstlichkeit und Aggression, Schlafdrang, Appetitverlust, sozialer Rückzug, etc. – Symptome also, die denen einer Depression verblüffend ähnlich sehen.
Frühjahrsdepression – Gesundheitsrisiko mit vielen Gesichtern
Die potenziell sehr gefährliche Frühjahrsdepression ist als Realität nicht von der Hand zu weisen. Darunter versteht man meist das saisonal bedingte Ausbrechen einer unterschwelligen Depression, die aufgrund bestimmter Faktoren nun Überhand gewinnt. Zu den häufigsten Begleiterscheinungen dieser depressiven Phase, die sich durch Antriebslosigkeit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und einem Gefühl der Leere äußern kann, gehören außerdem Schuldgefühle und Scham, allgemeines Desinteresse, Rastlosigkeit und Reizbarkeit sowie Appetitlosigkeit. Depressionen können sich generell auch in erster Linie körperlich bemerkbar machen, etwa in Form von Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden sowie Schlafstörungen. Es können all diese Symptome in Kombination auftreten, oder auch nur einige wenige – das Krankheitsbild der Depression ist zu individuell verschieden, um allgemeingültige Aussagen über die Symptomatik treffen zu können.
Warum gerade jetzt?
Da einigen Betroffenen ein Frühlingsausflug in kühlere Gefilde psychische Besserung bringt, geht man davon aus, dass diese Form der Depression auch durch einen Anstieg der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit ausgelöst werden kann. Erschwert wird diese Depression womöglich durch den Umstand, dass mit dem Frühlingserwachen ringsherum laut Lebensfreude zelebriert wird. Durch den starken Kontrast zur inneren Hoffnungslosigkeit kann der Betroffene sich noch isolierter fühlen, als ob mit ihm etwas Grundlegendes nicht stimme. Auch Neid und Eifersucht gesellen sich gerne hinzu, außerdem Scham über die eigene Situation: Je glücklicher die Umgebung zu sein scheint, umso mehr kann sich die falsche Überzeugung einstellen, man sei selbst nicht zu solchem Glück in der Lage.
Anders als bei der Frühjahrsmüdigkeit, die sich mit ein paar ähnlichen Symptomen bemerkbar machen kann, hält die Frühjahrsdepression länger als 2-4 Wochen an. (Mehr zur Frühjahrsmüdigkeit erfahren Sie hier)
In jedem Fall sollten Warnzeichen psychischen Unwohlseins als die Gesundheitsbedrohung ernst genommen werden, die sie ist.
Wege aus der Dunkelheit
Auch wenn unnötige Scham uns gerne davon abhalten möchte: Es ist wichtig, über seelische und psychische Probleme zu besprechen. Ob mit einem vertrauten Menschen, dem Hausarzt, einer Therapeutin oder der Telefonseelsorge: Sobald man sich jemandem gegenüber öffnet und die innere Dunkelheit verbalisiert, hat man schon einen großen Schritt Richtung Genesung und somit zu mehr Lebensfreude und Sinn gemacht. Denn: Auch wenn es sich in den schwersten Stunden nicht so anfühlen mag – die gibt es für jeden.
Telefonseelsorge
Du steckst in einer Krise und hast das Gefühl, es nicht wieder hinaus zu schaffen? Du bist nicht alleine. Die Telefonseelsorge leiht dir rund um die Ohr ein offenes Ohr, hört dir frei von Vorurteilen zu, und möchte dir helfen. Alles natürlich völlig vertraulich und anonym.
Österreich: 142 (Notruf)
Deutschland: 0800 / 111 0 111 , 0800 / 111 0 222 oder 116 123
Schweiz:143
Quellen:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19535151/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22329476/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21842988/
Bildquelle: pexels
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