Ob in der U-Bahn, hinter der Supermarktkasse oder während einer Konferenz, ein Nickerchen in der Öffentlichkeit ist in Japan und vielen anderen Teilen Asiens ganz normal. Der „Inemuri“, was so viel bedeutet wie „i – anwesend sein“ und „nemuri – Schlaf“ ist ein kurzer und kraftvoller Energieschlaf und fixer Bestandteil des täglichen Lebens.
Aber was führt dazu, dass die Japaner in der Öffentlichkeit schlafen?
Gemäß einer Studie der Wissenschaftlerin Olivia Walch und deren Team von der University of Michigan schlafen die Japaner durchschnittlich 7 Stunden und 24 Minuten. Es ist der Schlafmangel der dazu führt, dass die Japaner tagsüber jede Gelegenheit nutzen, um sich kurz zu regenerieren. Während man sich hierzulande für ein Gähnen schämt und sich entschuldigt, hat der öffentliche Kurzschlaf in Asien Tradition und ist gesellschaftlich anerkannt.
Die Japanologin Brigitte Steger hat das Phänomen über Jahre untersucht. Für sie hat der Inemuri den Vorteil, dass man sich tagsüber regenerieren kann, wenn man nachts nicht genug Schlaf bekommt – aus welchem Grund auch immer. Notfalls eben auch ohne Bett.
Der Inemuri hat auch soziologische Aspekte. Schläft der Rikscha-Fahrer auf seinem Fahrzeug, so schützt er gleichzeitig seinen wichtigsten Besitz. Oder viele können bei Lärm besser schlafen als in einem ruhigen Zimmer und fühlen sich in der Menschenmenge wohler. Herrscht Armut, müssen sich die Menschen ihre Schlafstätten teilen. Da ist es vorteilhaft, dass das Nickerchen überall möglich ist.
Japans Geschäftsleute schlafen sich fit
Das Nickerchen in der Öffentlichkeit tritt nicht nur unter den Armen auf. In Japan schlafen auch Geschäftsleute mitten in der Öffentlichkeit. Bekanntlich führt Schlafmangel zu verminderter Leistungsfähigkeit und einer höheren Fehlerquote am Arbeitsplatz. Immer mehr Arbeitgeber in Japan erkennen dieses Problem und verordnen daher ihren Angestellten ein 10 bis 20-minütiges Nickerchen am Arbeitsplatz.
Aber auch die Schulen in Japan beschäftigen sich vermehrt mit diesem gesellschaftlichen Phänomen. Eine Umfrage in einer Schule in der Stadt Chikuzen in der Präfektur Fukuoka hat ergeben, dass sich 63 Prozent der Schüler während des Unterrichts müde fühlen. Daraufhin wurde den Schülern erlaubt, ein 10-minütiges Mittagsschläfchen, begleitet von der Musik Mozarts, abzuhalten.
Richtige Dauer und Einstellung entscheidend
Laut Brigitte Steger liegt das Geheimnis des Inemuri in der richtigen Dauer und der richtigen Einstellung. Sie ist der Meinung, dass man sich nicht davon beeinflussen lassen sollte, was andere von einem denken und dann schlafen sollte, wann man müde ist. Weiteres rät sie, dass man nicht länger als 20 Minuten schlafen sollte, da man ansonsten noch müder wird und nach dieser Zeit eine tiefere Schlafphase erreicht.
„Andere Länder, andere Schlafsitten“
In ihrem Buch „Andere Länder, andere Schlafsitten“ – so heißt ein Kapitel in Stegers Buch „Inemuri – Wie die Japaner schlafen und was wir von ihnen lernen können“. schreibt die Forscherin darüber, dass polyphasisches Schlafen (Fachbegriff für mehrere Ruhepausen zu verschiedenen Tageszeiten) nicht nur im Land der aufgehenden Sonne praktiziert wird. Auch in China, Indien und vielen anderen asiatischen Ländern schlafen die Menschen dort wo es Ihnen gerade passt.
Mittlerweile entdecken auch immer mehr Menschen in Mitteleuropa, wie erholsam und effizient ein richtig durchgeführter Kurzschlaf, besser bekannt als Power-Nap, sein kann.
Mehrere Studien zum Energieschlaf
Der Kurzschlaf zwischendurch wurde bereits in mehreren Studien erforscht. Die Erkenntnisse sind äußert positiv:
- Positive Wirkung auf das Kurzzeitgedächtnis
- Steigerung der Leistungsfähigkeit
- Reduzierung des Gewichts. Müde Menschen haben einen größeren Appetit auf fette und süße Lebensmittel
- Schutz vor Herzkrankheiten. Ein Mittagsschläfen bis zu einer halben Stunde, und dies dreimal wöchentlich, reduziert das Herzinfarktrisiko um 37 Prozent
- Erzeugt gute Laune. Zu wenig Schlaf macht gereizt. Ein Nickerchen erhöht die Konzentration des „Wohlfühlhormons“ Serotonin im Blut und hebt die Stimmung
- Vorbeugung von Erschöpfungszuständen
Bildquelle: ©fotolia
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N. Bernt meint
Zu meiner Zeit als Soldat, nutzte ich oft eine Technik, die uns als „Chinesenschlaf“ beigebracht wurde. Sitzende Position und einen kleinen Gegenstand, wie zB einen Schlüsselbund in der Hand. Sobald man einschläft, oder kurz nach dem Einschlafen, öffnet sich die Hand, und der Gegenstand fällt zu Boden. Davon wird man dann wach. Dieser „Mini-Schlaf“ mehrmals am Tag verhilft einem tatsächlich dazu, lange Zeit ohne richtigen Schlaf auszukommen. Schon interessant…