- Gewohnheiten sind durch Wiederholung automatisierte Assoziationen
- Veränderte Aktivitäten zwischen Cortex und Basalganglien sind Teil des Lernprozesses
- Reize aus der Umgebung gefährden das Einhalten guter Vorsätze
- Spezielle Gehirnzellen erschweren die Veränderung alter Gewohnheiten
- Falsche Schamgefühle stehen der Verhaltensänderung im Weg
Wiederholungen führen zu Automatisierung
Bevor wir uns in diesem neuen Jahrzehnt aller Angewohnheiten entledigen, stellt sich die Frage, was diese überhaupt sind. Eine Gewohnheit ist im Grunde eine Assoziation, die automatisiert wurde: Zu Beginn steht eine zielgerichtete, bewusst ausgeführte Aktion, die, wenn das Ergebnis zufriedenstellend ist, das Verhalten verstärkt. Stellen Sie sich einen Kuchen vor. Wenn Sie ein Stück davon essen und sich dadurch Ihre Laune verbessert, werden Sie dieselbe Sorte beim nächsten Mal vermutlich wieder essen wollen. Kommt diese Situation öfter vor, wird das Verhalten automatisch, und es entsteht eine Reiz-Reaktion-Assoziation, die ergebnisunabhängig ist. Soll heißen: Haben Sie den Kuchen oft genug gegessen, können Sie ihn auch einmal essen, ohne sich dabei besser zu fühlen – vielleicht wird Ihnen sogar übel – Sie werden ihn sehr wahrscheinlich wieder essen. Das liegt daran, dass allein der Reiz, den Kuchen zu sehen, nun zur automatischen Reaktion führt, ihn zu essen. Wurde eine Verhaltenssequenz oft genug mit ähnlicher Reaktion abgespielt, spart das Gehirn Kapazitäten mit einer automatischen Reiz-Reaktion-Assoziation, die fast ohne Denken ausgelöst werden kann.
Was läuft dabei im Gehirn ab?
Während zielgerichtete Assoziationen erlernt werden, verändern sich die Aktivitäten zwischen dem Cortex (Großhirnrinde) und den Basalganglien, die darunter liegen. Innerhalb dieser Ganglien befindet sich das sogenannte Striatum – der Bereich, in dem die motorischen Absichten des Cortex gesammelt werden, bevor die Bewegung o.ä. tatsächlich ausgeführt wird. Im Striatum entsteht zu Anfang des Lernprozesses, also bevor das Verhalten automatisch ist, ein Signal. Dieses fasst die einzelnen Vorgänge des ausgeführten Verhaltens zusammen, sodass das Gehirn den gesamten Ablauf als einen einzigen Vorgang betrachten kann, von Anfang bis Schluss. Dank dieser Vereinfachung können wir zum Beispiel mit dem Auto losfahren, ohne dabei jeden einzelnen Schritt wie Anschnallen, Motor starten, Spiegel überprüfen, etc. überdenken zu müssen. So können wir unsere Aufmerksamkeit dorthin verlagern, wo sie gerade am wichtigsten ist – etwa auf die Umgebung um das Auto herum, anstehende Aufgaben, usw. Im Striatum sind außerdem Nervenzellen vorhanden, die Fehler signalisieren. Je automatischer ein Verhalten wird, umso weniger dieser Zellen sind in der Fehlermeldung aktiv. Dieser Mangel von Fehlersignalisierung bei gut geformten Gewohnheiten könnte der Grund dafür sein, warum das Gehirn weniger Wert darauf liegt, wie das Ergebnis eines gewohnheitsmäßig ausgeführten Verhaltens ausfällt, und warum es so schwierig ist, Gewohnheiten zu verändern.
Vertraute Situationen gefährden die neuen Vorsätze
Bislang ging man davon aus, dass zielorientierte und angewöhnte Verhaltensweisen miteinander konkurrieren. Heute nimmt man allerdings an, dass beide Kategorien zusammenwirken. So kann etwa der Prozess einer zielgerichteten Aktion nötig sein, um die Ausübung einer komplexen Sequenz vertrauter Handlungen zu initiieren – etwa wenn man abends ins Badezimmer geht, um sich bettfertig zu machen, und sich gewohnheitsmäßig im Rahmen eines Schlafrituals die Zähne putzt, das Gesicht wäscht, etc. Die Forschung zeigt weiters, dass Signale aus der Umwelt einen großen Einfluss auf die Bildung von Gewohnheiten ausüben. Davon können jene Menschen ein Lied singen, die nach einem erfolgreichen Aufenthalt in der Entzugsklinik zuhause prompt einen Rückfall erleiden, oder im Urlaub stolz den Zigaretten entsagt haben, im vertrauten Pausenraum dann aber doch nicht Nein sagen können.
Neurowissenschaftliche Kenntnisse machen Zwangshandlungen deutlich
Fundiertes Wissen über diese Gehirnprozesse kann hilfreich sein, um zu verstehen, wie Abhängigkeiten oder Zwangshandlungen entstehen. Außerdem ist eine Aufklärung in diesem Bereich entscheidend, um sich der emotionalen Aspekte schlechter oder ungewünschter Gewohnheiten bewusst zu werden. Viele Menschen, welche die eine oder andere alte Angewohnheit gerne ablegen würden, tragen sich beispielsweise mit Scham: Oft besteht die Befürchtung, aufgrund schlechter Angewohnheiten als faul, selbstsüchtig oder undiszipliniert gesehen zu werden. Es ist also nützlich zu wissen, wie wir unser Verhalten verändern können, um bewusst gewünschte Gewohnheiten zu bilden. Uns sollte aber auch bewusst sein, welche Faktoren der Gewohnheitsbildung überhaupt unserer Kontrolle unterliegen.
Bildquelle: Istock
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