In dieser neuen Serie soll ein Blick in die Zukunft geworfen werden und insgesamt 21 Thesen sollen beleuchten werden, wie die Zukunft des Schlafes in unserer Zivilisation aussehen wird. Heute kommen wir zur These 11: Licht & gesunder Schlaf – die biologische Wirkung von nächtlichem Kunstlicht auf unsere Gesundheit führt zum lichtfreiem Schlaf und speziellen Nachtbeleuchtungen.
Martin Böckle: Sie haben sich auch ganz ausführlich mit dem Thema Tages- und Kunstlicht und deren Wirkung auf unseren Schlaf und die Gesundheit beschäftigt. Wie ist der aktuelle Stand?
GWA: Licht ist einer der wichtigsten Steuerungsfaktoren für Wachheit und Schlaf. Am Tag ist es hell, da hält uns das Sonnen- und Tageslicht eher wach und in der Nacht ist es dunkel, da ist Schlaf und Regeneration angesagt. Licht ist aus allen Perspektiven betrachtet etwas ganz Besonderes und Geheimnisvolles. Wie auch die Dunkelheit. Beides ist auch ein großer Heilfaktor, da unsere Hormone auf Licht und Dunkelheit reagieren.
Erst wenn sich z.B. das Sonnenlicht in einem Regenbogen bricht, sehen wir, dass es aus verschiedenen Wellenlängen zusammengesetzt ist. Dieses Farbspektrum wirkt sich sehr positiv auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus. Im Farbspektrum von Kunstlicht ist dies hin gegen ganz anders, verschiedene Wellenlängen fehlen komplett. Da haben wir oft zu viel Blaulichtanteil, was speziell am Abend das Einschlafen stört. Das trifft übrigens vor allem auf die Energiesparlampen zu.
Martin Böckle: Sie weisen seit vielen Jahren darauf hin, dass „Licht & gesunder Schlaf“ in einem sehr engen Zusammenhang stehen. Ja sogar ein Gesundheitsrisiko ist. Deshalb wäre es am besten vollkommen dunkel zu schlafen.
GWA: Die wissenschaftliche Forschung deutet ganz klar darauf hin, dass vor allem der künstliche Lichteinfluss am Schlafplatz ein großes Risiko für unsere Gesundheit ist. Meine langjährigen Messungen und Erfahrungen zeigen ganz deutlich: an unseren Schlafplätzen ist viel zu viel Kunstlicht! Einerseits verursachen wir dies selbst durch Geräte im Schlafraum, die meistens Standby-Beleuchtungen haben. Oder durch Licht, dass von draußen in unsere Schlafräume kommt. Von Straßenlaternen, Autos, Werbe-Beleuchtungen u.v.a. Dies erhöht eindeutig das Risiko von z.B. Fettleibigkeit, Diabetes oder Depressionen. Und insbesondere das Krebsrisiko erhöht sich deutlich. Ein wissenschaftlicher Bericht der Europäischen Kommission fasst dies zusammen: „Die nächtliche Belichtung kann mit einem erhöhten Risiko von Brustkrebs einhergehen und neben Schlafstörungen auch, Magen-Darm-Erkrankungen oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen.“ Eine weitere interessante Entdeckung: eine Krebszelle wächst unter dem Einfluss von Licht im Schlaf um das etwa 3-fache schneller!
Martin Böckle: Gerade was die Krebserkrankungen anbelangt, gibt es immer mehr wissenschaftliche Studien zum Thema Licht & gesunder Schlaf.
GWA: Ja, man sollte das Thema unbedingt ernst nehmen. Dies betrifft die Gesundheitsvorsorge und auch im Falle einer Krebserkrankung. Ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass deshalb gerade im Krankheitsfall eine Schlafplatzoptimierung mehr als sinnvoll ist.
Es gibt eine aktuelle Studie mit mehr als 2.000 Männern, die vor allem Nachtschicht gemacht haben. Hier hat sich gezeigt, dass das Risiko von Prostatakrebs viel höher sein kann. Aber dies betrifft auch Brustkrebs, wie die berühmte „Nachtschwestern-Studie“ gezeigt hat. Hier war das Brustkrebs-Risiko sogar um 60 Prozent erhöht. Aber im Grunde genommen sind nicht nur Menschen davon betroffen, die in der Nacht arbeiten und deshalb viel Kunstlicht ausgesetzt sind.
Einer der führenden Wissenschaftlicher ist Professor Richard Stevens, ein Krebs-Epidemiologe von der University of Connecticut Health Center. Er ist ein Experte über die Wirkung von Licht auf unsere Gesundheit. In den letzten 200.000 Jahren hat es bekanntlich keine Elektrizität, also künstliches Licht gegeben. Deshalb bringt dieses künstliche Licht nach Sonnenuntergang die ganzen lichtabhängigen Mechanismen, die Hormone und vor allem unsere innere Uhr, durcheinander. Dies wirkt sich auf alle Körperfunktionen, den Zucker- und Fett-Stoffwechsel, das Herz- Kreislauf-System, den Blutdruck, etc. aus. Und insbesondere wird dadurch unser Immunsystem geschwächt! Eigentlich bis hinein in jede Zelle.
Vor allem das Schlaf- und Schutzhormon Melatonin wird durch Licht negativ beeinflusst, es wird viel weniger ausgeschüttet. Auf der anderen Seite werden durch die Lichtreize, die eigentlich Stress bedeuten, viel mehr Stresshormone ausgeschüttet. Das ist im Schlaf natürlich nicht gut. Man könnte sagen, Licht wirkt im Schlaf wie eine schädliche Droge.
Martin Böckle: Es gibt jetzt Hinweise dass auch Depressionen mit dem Thema „Licht & gesunder Schlaf“ zusammenhängen könnten?
GWA: Ja die Forschungen gehen in alle Richtungen. Nochmals zur Erinnerung: der Schlaf ist der wichtigste Einzelfaktor für unsere Gesundheit und Heilung. Sobald der Schlaf gestört ist, egal aus welchen Gründen, ob durch Elektrosmog, Erdmagnetfeldstörungen oder durch Lichtreize, damit gefährden wir unsere körperliche und seelische Gesundheit. Man ist lange davon ausgegangen, dass bestimmte Schlafstörungen eine Folge von Depressionen ist. Dies stimmt auch – aber heute wissen wir, dass dies auch umgekehrt sein kann. Wer nämlich einen gestörten Schlaf oder zu viele Lichtreize am Schlafplatz hat, hat mehr Stimmungsschwankungen und ein höheres Risiko an einer Depression zu erkranken.
Martin Böckle: Es ist also nicht nur wichtig, dunkel und ohne Lichtreize zu schlafen. Sondern vor dem Schlaf ist es wichtig, vor allem Kunstlicht mit viel Blaulichtanteil zu vermeiden.
GWA: Auch darüber haben wir schon ausführlich berichtet. Insbesondere Flachbildschirme, Computer, Tablets, E-Reader oder Smartphones arbeiten mit hohem Blaulichtanteil. Das gibt unserem visuellen System, das wiederum mit der Zirbeldrüse verbunden ist, falsche Signale. Nämlich dass es taghell ist und deshalb kein Schlafhormon Melatonin benötigt wird. Daraus lässt sich ableiten, dass auch der Elektrosmog ein potentieller Schlaf- und Gesundheitsstörer ist. Denn auf diese Strahlung reagieren unser Körper und unsere Zirbeldrüse ähnlich wie auf Licht. Und Licht ist ja physikalisch gesehen nichts anderes als elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich. Und künstliche Strahlung eben im nicht sichtbaren Bereich.
Martin Böckle: Zurück zum Schlafplatz. Was sind aus Ihrer Sicht in Sachen Licht & gesunder Schlaf wichtige Maßnahmen am Schlafplatz?
GWA: In jedem Falle dafür sorgen, dass wir im Schlaf keinen Lichtreizen ausgesetzt sind. Denn diese wirken durch die geschlossenen Augenlider hindurch. Die Lösung sind keine Dauerlichter am Schlafplatz, lichtundurchlässige Vorhänge oder Rollos. Wer dies nicht kann, sollte unbedingt eine Schlafbrille verwenden. Dies schützt den Schlaf vor Lichtreizen. Aber auch alle anderen Maßnahmen die wir laufend empfehlen sind natürlich wichtig. Es ist notwendig, dies alles sehr ernst zu nehmen, denn an unserem Schlafplatz entscheidet sich zu einem hohen Anteil ob wir gesund bleiben. Und wenn wir Krankheiten haben, ob wir auch wieder gesund werden. Wer gesund leben will, der muss unbedingt gesund schlafen. Wir verbringen ein ganzes Drittel unseres Lebens im Schlaf.
Martin Böckle: Und Sie haben noch einen weiteren wichtigen Hinweis, da geht es vor allem um nächtliche WC-Gänge. Was hat es damit auf sich?
GWA: Ja, denn ab einem gewissen Alter muss man 1-2-mal in der Nacht auf die Toilette. Und nach den heutigen Informationen kann sich jeder vorstellen, was da mit unserem Körper passiert. Sobald wir das Kunstlicht einschalten und es im Schlafzimmer und auf dem Weg zur Toilette hell wird, reagiert unser Körper. Im Speziellen unsere Zirbeldrüse. Meistens sind diese WC-Gänge 1-3 Stunden nach Mitternacht, also wenn wir ganz tief schlafen. Das Licht verursacht nun einen Weckreiz, das Schlafhormon Melatonin, das sich in unserem Blut befindet wird großteils und schlagartig abgebaut und wenn wir von der Toilette zurückkommen, können wir nicht mehr gut einschlafen.
Martin Böckle: Da haben Sie ja speziell für ausgewählte Schlaf-Gesund-Hotels ein Licht-Konzept entwickelt. Gibt es da einen einfachen Tipp, den man auch zuhause umsetzen kann?
GWA: Hier zeigen wissenschaftliche Experimente etwas sehr Interessantes. Wie erwähnt, das blaue Licht stört unserem Schlaf, weil es sehr kurzwellig ist. Also unterstützt das langwellige Licht die Produktion von Melatonin. Mein Tipp – beleuchten Sie den Weg zur Toilette ROT. Das rote Licht hat nur einen sehr geringen Weckreiz, schützt das im Blut befindliche Melatonin und lässt Sie wieder gut einschlafen. Dazu besorgt man sich am besten rote Glühbirnen oder rote LED-Bänder. Es gibt auch Bewegungsmelder, die man auf dem Weg ins WC installieren kann. Diese einfach mit roten Leuchtmitteln ausstatten. Der gesamte Schlaf und vor allem die Erholung im Schlaf werden sich dadurch deutlich verbessern.
Danke für das Interview.
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