Studien zufolge erkranken Frauen doppelt so oft an Depressionen. Um dieses Phänomen zu erklären, muss man sich ein Bild machen, das über isolierte biologische Unterschiede hinausgeht.
Eine europaweit angelegte Studie anhand von 514 Millionen Menschen macht es deutlich: Frauen erkranken demnach doppelt so häufig wie Männer an Depressionen. In der Altersgruppe zwischen 25 und 40 Jahren liegt diese Zahl sogar um ein Vierfaches höher. Bereits nach der Pubertät zeigen sich im Aufkommen von Depressionen die ersten signifikanten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Dies ist aber nicht nur mit hormonellen Veränderungen zu erklären, sondern hängt mit anderen Umständen zusammen, die nun ins Spiel kommen: z.B. erhöhter Leistungsdruck in Schule, Sport und Privatleben, oder Probleme mit der eigenen Identität und Sexualität. Dass Depressionen bei Mädchen und Frauen häufig gemeinsam mit Ess- und/oder Angststörungen auftreten, spricht für eine Mischung aus individuellen und sozialen Faktoren.
Mehr als nur Biologie
Auch später kann der große Unterschied zwischen Mann und Frau beim Thema Depression nicht rein über die Biologie erklärt werden. Vielmehr ist es die komplexe Kombination aus biologischen, psychologischen und gesellschaftlichen Faktoren, die das Dasein einer Frau kennzeichnen, und so eine Depression begünstigen. Natürlich muss bei solchen Annahmen auch berücksichtigt werden, dass Männer vermutlich weniger dazu bereit sind, professionelle Hilfe zu suchen und so die richtige Diagnose zu erhalten. Doch selbst obwohl die nicht biologisch bedingten Depressionsauslöser auch bei Männern auftreten, ist das pauschal gesehen weitaus seltener der Fall.
Mögliche Gründe für das erhöhte Depressionsrisiko der Frau
Hormone
Der weibliche Hormonhaushalt unterliegt vielen Schwankungen und tiefgreifenden Veränderungen – wie PMS, Schwangerschaft, Wochenbettdepressionen oder Klimakterium. Außerdem neigen Frauen weitaus häufiger zu Schilddrüsenerkrankungen, welche mit Depressionen einhergehen können.
Psyche
Frauen grübeln mehr als Männer, was einerseits zu Einschlafstörungen führt, und sie andererseits anfälliger für Depressionen macht.
Berufstätigkeit
Aufgrund der Mehrfachbelastung von Beruf und Familie stehen Frauen unter mehr Stress. Auch heute noch lastet der Großteil des Familienmanagements auf ihnen. Hinzu kommen Schuldgefühle, wenn die Rollen der perfekten Mutter und ausgezeichneten Arbeitnehmerin sich nicht unter einen Hut bringen lassen. Hinzu kommen berufliche Entwicklungschancen, die aufgrund der Familienplanung nicht genutzt werden können, und der verspürte Druck, alles im Blick haben zu müssen. Auch die Pflege von älteren und kranken Familienmitgliedern wird häufig fast selbstverständlich zur Aufgabe der Frau. Dass Stressfolgeerkrankungen wie die Erschöpfungsdepression darum gerade bei alleinstehenden, berufstätigen Müttern sehr häufig sind, überrascht nicht.
Finanzielle Bedürftigkeit
Frauen leben deutlich häufiger in Armut, was neben Zukunftsängsten auch eine Einschränkung in sozialer und physischer Gesundheit bedeutet. Dadurch können Gefühle wie Selbstverachtung und Kontrollverlust entstehen.
Missbrauch
Mädchen und Frauen werden öfter Opfer sexueller Gewalt, was auch viele Jahre später noch eine Depression auslösen kann.
Lebenserwartung
Frauen leben im Schnitt länger, werden also älter, und erleben somit häufiger Trauer, Einsamkeit, altersbedingte Krankheiten und soziale Ausgrenzung.
Depressionen sind heilbar
So aussichtlos es sich auch anfühlen mag – Depressionen sind nichts Ungewöhnliches und haben gute Heilungschancen. Als erste Anlaufstelle können Sie den Arzt Ihres Vertrauens aufsuchen, oder Sie wählen die Nummer der Telefonseelsorge. Offen darüber zu sprechen, nimmt der Depression einen enormen Teil ihrer Macht und ist der erste, große Schritt zur Genesung.
Telefonseelsorge:
Österreich: 142
Deutschland: 0800 1110111, 0800 1110222 oder 116123
Schweiz: 143
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