Eine „verhängnisvolle Schlafdefizit Epidemie“ verursacht sehr viele, möglicherweise tödliche Krankheiten, so Prof. Matthew Walker, führender Schlafexperte. In einem Interview spricht Prof. Matthew Walker, Direktor des Centre for Human Sleep Science an der University of California, Berkeley, darüber, dass Schlafentzug jeden Aspekt unsere Biologie negativ beeinflusst und in unserer modernen Gesellschaft weit verbreitet ist.
Erholsamer Schlaf als Zeichen der Faulheit?
Und dennoch: das Problem wird weder von den Politikern noch von Arbeitgebern ernst genommen. Im Gegenteil, der Wunsch, eine Nacht mit erholsamem Schlaf als ein Zeichen von Faulheit zu stigmatisieren, überwiegt. Elektrisches Licht, Fernseher und Computer Bildschirme, längere Arbeitswege, das Verwischen der Trennlinie zwischen Arbeit und Freizeit und viele andere Aspekte des modernen Lebens haben zum herrschenden Schlafmangel beigetragen. Pro Nacht weniger als sieben Stunden Schlaf bedeuten zu wenig Schlaf.
Wie gefährlich ist Schlafmangel wirklich?
Schlafmangel wurde neben anderen gesundheitlichen Problemen mit Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Alzheimer, Fettleibigkeit und schlechtem mentalem Zustand in Zusammenhang gebracht. Kurz gesagt, Schlafmangel bringt uns um. Der ursprünglich aus Liverpool stammende Professor Walker führt aus, dass kein Aspekt unserer Biologie von Schlafmangel unbeschadet bleibt. „Schlafmangel sinkt in jede mögliche Ecke und jeden Winkel. Und niemand tut etwas dagegen. Die Dinge müssen sich ändern: am Arbeitsplatz und in unserer Gesellschaft, unserem zu Hause und in den Familien. Aber, haben Sie jemals ein Poster der NHS (National Health Service) entdeckt, das den Menschen Schlaf dringend nahe legt? Wann hat jemals ein Arzt Schlaf anstatt Schlafpillen verschrieben? Schlaf muss priorisiert werden, ein Anreiz geschaffen werden.“
Schlaf kostet der englischen Wirtschaft jährlich mehr als 3 Milliarden Pfund oder – anders ausgedrückt – 2 % des Bruttoinlandsprodukt (BIP). Man könnte das NHS-Budget verdoppeln, wenn man Richtlinien einführen würde, nach denen man Schlaf anordnen könnte oder die Schlaf kraftvoll unterstützen. Er erklärte, dass er persönlich darauf besteht, „jede Nacht unumstößlich die Möglichkeit zu haben, acht Stunden zu schlafen“ und, dass er einen sehr regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus einhält.
Der Zusammenhang von Schlaf & Gesundheit
„Ich nehme meinen Schlaf ausgesprochen ernst, weil ich den Beweis gesehen habe“, so Prof. Walker, dessen Buch „Why We Sleep: The New Science of Sleep and Dreams“ im nächsten Monat erscheinen wird. „Wenn man weiß, dass nach nur einer Nacht mit nur vier oder fünf Stunden Schlaf die natürlichen Killer-Zellen – das sind jene, die die tagtäglich entstehenden Krebszellen attackieren – um 70 % abnehmen oder dass Schlafmangel mit Darm-, Prostata und Brustkrebs in Zusammenhang steht oder auch dass die WHO jegliche Art von Nacht-Schichtarbeit als mögliches Kanzerogen einstuft, wie könnte man da anders handeln?“
Während in der Gesundheitsversorgung Beschäftigte, Arbeitgeber und Politiker dem Nutzen von Schlaf größere Aufmerksamkeit schenken sollten, sollte Jeder und Jede im persönlichen Umfeld dasselbe tun. „Niemand möchte auf Zeit mit der Familie oder für Unterhaltung verzichten – und deshalb verzichten sie stattdessen auf Schlaf. Natürlich spielen auch Sorgen eine große Rolle. Wir sind eine einsame, oft deprimierte Gesellschaft. Alkohol und Koffein sind leicht verfügbar. All diese Dinge sind schlaffeindlich.“ Ebenso besteht eine Tendenz dazu, sich mit wenig Schlafbedarf zu rühmen. Man sagt, dass Margaret Thatcher und Ronald Reagan mit wenigen Stunden Schlaf pro Nacht leben konnten. Beide entwickelten im späteren Leben eine Demenz.
„Wir haben Schlaf mit dem Stigma Faulheit versehen“, so Professor Walker. „Wir möchten fleißig erscheinen – und ein Weg dies auszudrücken, ist zu erklären, wie wenig Schlaf wir benötigen. Dies scheint wie ein Ehrenzeichen. Wenn ich einen Vortrag halte, warten manche Menschen bis niemand mehr da ist. Dann erzählen sie mir ganz leise: ‚Es scheint, dass ich einer jener Menschen bin, der acht oder neun Stunden Schlaf benötigt.‘ Dies in aller Öffentlichkeit zu sagen wäre peinlich. Sie sind davon überzeugt, dass sie nicht normal sind. Das ist verständlich – wir strafen Menschen für eine in Wirklichkeit richtige Menge Schlaf. Wir denken, dass sie faul sind.
Niemand würde auf die Idee kommen, ein schlafendes Baby zu betrachten und zu sagen ‚Was für ein faules Baby!‘. Wir wissen, Schlaf ist für Babys wichtig. Aber dieser Gedanke verschwindet schnell, wenn wir größer werden. Menschen sind die einzige Spezies, die sich bewusst und ohne ersichtlichen Grund Schlaf entzieht.“
Zeichen von Schlafmangel
Hinweise auf Schlafmangel sind u.a. das Verlangen nach Koffein, um den Nachmittag überstehen zu können oder nach dem Wecker läuten weiter schlafen zu wollen. „Ich sehe es die ganze Zeit“, so Professor Walker im Interview. „Ich nehme einen Flug um 10.00 Uhr. Zu dieser Zeit sollten alle hellwach und aktiv sein – und das halbe Flugzeug schläft sofort ein.“ Er schlägt vor, dass man sich 30 Minuten vor dem zu Bett gehen einen Wecker setzt und von da an langsam zur Ruhe kommt.
Das Gehirn ist sehr aktiv während wir schlafen. „Währen dem non-REM Schlaf tritt unser Gehirn in dieses unglaubliche, synchronisierte Muster von rhythmischen Gesang ein“, erklärt Prof. Walker. „Über der Oberfläche des Gehirns besteht eine bemerkenswerte Einheit, wie ein tiefes, langsames Mantra. Forscher hatten früher fälschlicherweise angenommen, dass dieser Zustand einem Koma ähnlich sei. Aber nichts wäre weiter entfernt von der Wahrheit. Umfangreiche Prozesse der Gedächtnisverarbeitung finden jetzt statt. Um diese Gehirnwellen herzustellen, singen hunderttausende Gehirnzellen gemeinsam, werden wieder still usw. Währenddessen sinkt der Körper in einen wundervollen niedrig-Energie-Zustand – die beste Blutdruckmedizin, die man sich wünschen kann.
REM – Schlaf
Der REM-Schlaf andererseits ist manchmal auch als paradoxer Schlaf bekannt, weil die Gehirnmuster im Traumschlaf ident sind mit jenen im Wachzustand. Jetzt ist das Gehirn unglaublich aktiv. Das Herz und das Nervensystem erleben Aktivitätsschübe. Warum das so ist, ist noch weitgehend unbekannt.“
Die NHS warnt, dass Schlafmangel „tiefgreifende Konsequenzen für unser physische Gesundheit“ haben kann. Auf deren Homepage ist zu lesen, dass „jeder Dritte unter schlechtem Schlaf leidet.“ Oft wird Stress, Computer oder Arbeit, die nach Hause mitgenommen wird, als Grund angenommen.
Fazit
„Zusammengefasst: all die schlaflosen Nächte sind mehr als nur schlechte Laune und Konzentrationsmangel. Regelmäßig schlechter Schlaf ist ein Risiko für ernstzunehmende Krankheiten, einschl. Fettleibigkeit, Herzkrankheiten und Diabetes – und verkürzt Ihre Lebenserwartung. Das belegt eindeutig, dass guter Schlaf wichtig für ein langes und gesundes Leben ist.“
Bildquelle: @fotolia
Quelle: independent.co.uk (www.independent.co.uk/news/sleep-deprivation-epidemic-health-effects-tired-heart-disease-stroke-dementia-cancer-a7964156.html)