Gastbeitrag von Donald Kressner
Ohrgeräusche kennt sicherlich jeder. Wenn sie nur gelegentlich auftreten, besteht kein Grund zur Sorge. Tritt das Sausen, Pfeifen, Brummen oder Zischen allerdings permanent in Erscheinung, ohne dass eine äußere Schallquelle für die missliebigen Töne verantwortlich ist, handelt es sich um eine Störung der Hörfunktion. Diese kann sowohl ein- als auch beidseitig vorliegen und in ihrem Erleben und Schweregrad sehr individuell sein. Tinnitus ist keine Seltenheit. Bis zu 20 Prozent der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren sind von dem Phänomen betroffen. Daher spricht man in Deutschland auch von einer Volkskrankheit. Die Auslöser für Tinnitus sind vielfältig. Verschiedene Ohrerkrankungen wie die chronische Mittelohrentzündung aber auch Ohreninfarkte zeichnen für eine Entwicklung verantwortlich. Für manchen Tinnitus findet sich keine Ursache, andere können stressbedingt sein und durch Schnarchen verstärkt werden.
Folgen für Körper und Psyche
Die gute Nachricht zuerst: die wenigsten Betroffenen bilden aufgrund ihres Tinnitus schwerwiegende Folgeschäden aus. Leider gilt das nicht für jeden. Bei etwa 2 bis 3 Prozent der Gesamtbevölkerung führt der Tinnitus zur Einbuße von Lebensqualität. Der ständige Begleitton ist oft Auslöser von stressbedingten Erkrankungen, Schlafstörungen und sogar Depressionen. Auch Angsterkrankungen entwickeln sich als Folgeerscheinung. Stets ist die Sorge im Hinterkopf, der Ton könne sich verstärken oder auch auf das zweite Ohr übertragen. Betroffene fühlen sich allein gelassen und unverstanden, da ihr Leiden für das Umfeld nicht sichtbar ist. Die Mitmenschen hören den nervenaufreibenden Ton schließlich nicht. Das Gefühl, dem Ohrgeräusch hilflos ausgeliefert zu sein, treibt viele Betroffene förmlich in den Wahnsinn. In schweren Fällen bestimmt der Tinnitus indirekt den Alltag. Durch die psychische Belastung und der ständigen Erschöpfung sind Betroffene häufig nicht in der Lage, ihr Leben wie bisher zu führen. Soziale Kontakte werden eingeschränkt, der Besuch von Festen oder Konzerten aufgrund lauter Geräuschquellen gemieden. Wenn auch das Berufsleben unter den Einschränkungen leidet, kann dies sogar zur Arbeitsunfähigkeit führen.
Schnarchen begünstigt den Tinnitus
Mit einem Ohrgeräusch lässt es sich schlecht schlafen. Dass Tinnitus zu Schlafstörungen führt ist allgemein bekannt. Doch es überrascht, dass es auch einen umgekehrten Zusammenhang gibt und nächtliches Schnarchen Tinnitus begünstigen kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Ohrgeräusche als Folge des sogenannten Schnarchsyndroms auftreten. Die nächtlichen Atemaussetzer führen zu Sauerstoffmangel und hemmen die Blutzirkulation im Innenohr. Dadurch nehmen die feinen Sinneshärchen, die Reize über den Hörnerv ans Gehirn übertragen, irreparablen Schaden. Das Hörvermögen nimmt ab. Der Zusammenhang zwischen Blutzirkulation und Innenohr zeigt sich auch bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen und zu hohem Blutdruck. Diese leiden häufiger an Schwerhörigkeit als die Allgemeinheit. Doch auch lautes Schnarchen selbst kann zu schweren Hörschäden und Tinnitus führen, sowohl beim Betroffenen als auch beim Partner. Das Schalltrauma schädigt die Sinneshärchen und verursacht pfeifende und brummende Begleittöne. Wer bereits an Ohrgeräuschen leidet und außerdem schnarcht, verstärkt das Problem ungewollt. Die nächtliche Unruhe steigert nämlich den Stresslevel und somit die Hörfunktionsstörung.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Eine unbehandelte Schlafapnoe ist eine Belastung für den gesamten Organismus. Sie führt zu Erschöpfung, Müdigkeit und innerer Unruhe, die nicht nur Nährboden für einen Tinnitus darstellt. Auch schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhter Blutdruck mit all seinen Folgen, Depressionen und Blutbildveränderungen können infolge von Schlafapnoe auftreten. Aus diesem Grund ist es wichtig, das Schnarchsyndrom so früh wie möglich zu behandeln und dabei zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn wird die zugrundeliegende Erkrankung therapiert, bessern sich in der Regel auch die Folgeerscheinungen. Doch was kann konkret getan werden? In weniger ausgeprägten Fällen der Schlafapnoe genügen oft eine Ernährungsumstellung und der Verzicht von Alkohol und Nikotin vor dem Schlafengehen. Optimale Schlafbedingungen wie ein abgedunkeltes Zimmer, keine lauten Geräuschquellen und angenehmer Schlafplatz schaffen beste Voraussetzungen für ausgeglichenen Schlaf. Schwere Fälle von Schlafapnoe müssen medikamentös oder durch Reduzierung des Gaumensegels behandelt werden. Eine Alternative stellt die CPAP-Therapie dar. Durch den Einsatz der Atemmaske werden nächtliche Atemstillstände verhindert.
Was bringt die Tinnitustherapie?
Der Tinnitus verschwindet in der Regel, nachdem der Auslöser der Hörfunktionsstörung beseitigt wurde. Sollten die Ohrgeräusche trotz Behandlung der Schlafapnoe weiter bestehen, müssen Betroffene nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Es lässt sich lernen, die Dinge anzunehmen, wie sie sind. Eine positive Lebensführung und Entspannungsübungen helfen genauso wie der Austausch mit anderen Betroffenen, um die Lebensqualität zu verbessern. Empfehlenswert ist die Tinnitus-Retraining-Therapie. Hier lernen Betroffene, ihren Tinnitus zu verstehen und Ablenkungsstrategien zu entwickeln, um nicht ständig auf die Begleittöne zu achten. Im Zentrum dieser Therapieform steht nicht die Beseitigung der Ohrgeräusche, sondern das „Tinnitus-Vergessen“. Im Idealfall wird das Piepen im Kopf auf eine Art Grundrauschen heruntergeregelt und nicht bewusst wahrgenommen. Sollte zusätzlich eine Schwerhörigkeit vorliegen, kommen Hörgeräte und weitere Therapieoptionen zum Einsatz.
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Quelle: Donald Kressner