Schlafstörungen gehören neben Kopfschmerzen zu den am weitesten verbreiteten psychosomatischen Beschwerden, geschätzte 20-25% der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz leiden unter klinisch bedeutsamen Ein- oder Durchschlafstörungen mit darauf folgender Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit oder Konzentration am folgenden Tag. Als klinisch bedeutsam gelten Schlafstörungen dann, wenn sie über mindestens 4 Wochen andauern, in der Realität leiden zwei Drittel der Betroffenen bereits länger als ein Jahr, ein Drittel länger als 5 Jahre an einer Schlafstörung.
Selbstverständlich muss bei schmerzbedingten Schlafstörungen, bei Atmungsstörungen (Schlafapnoe) oder Bewegungsstörungen im Schlaf (Restless legs) der Arzt aufgesucht werden, wer jedoch unter den erwähnten Ein- und Durchschlafstörungen leidet, unter Alpträumen oder schreckhaften Erwachen, für den kommt eine nachhaltige und nichtmedikamentöse Lösung der Schlafprobleme in Frage. Ebenfalls für Personen, die durch Schichtarbeit bedingt nicht gut schlafen.
Den Schlaf unter die Lupe zu nehmen ist allerdings eine immer noch selten angewandte Möglichkeit, der Schlaflosigkeit zu begegnen. Weitaus häufiger wird Symptombekämpfung betrieben, und zwar mit Schlafmitteln. Dieser Markt boomt: Schlafmittel zählen in der Schweiz zu den Medikamenten mit der grössten Nachfrage. Hauptproblem der heute am weitesten verbreiteten Schlafmittel, der Benzodiazepine, ist ihr Abhängigkeitsrisiko. Bereits nach dem Absetzen lediglich einer einzigen Tablette (eingenommen über mehr als 1-3 Monate) kann es zu vollständiger Schlaflosigkeit während der ersten Nacht und weitgehender Schlaflosigkeit während der folgenden zwei Nächte kommen. Wer dann das Medikament weiter einnimmt, steht häufig am Beginn von Langzeitgebrauch oder Sucht.
Laut Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), steht die Schweiz in Bezug auf den gesamten Pro-Kopf-Umsatz der Gruppe der Benzodiazepine weltweit auf Platz eins. Nach Nikotin- und Alkoholabhängigen stellen Benzodiazepin-Abhängige die drittgrösste Suchtgruppe dar.
Nach wie vor mangelt es also an nichtmedikamentösen Behandlungsformen, oft erhält der Patient Medikamente, deren Nebenwirkungen nebst Abhängigkeitsrisiko zu Beeinträchtigungen wie Benommenheit, Antriebslosigkeit oder nur allmählich ansteigender Leistungsfähigkeit am nächsten Tag führen.
Da Schlafstörungen individuell eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen haben können, gilt es, durch eine Befunderhebung mittels Schlafprotokoll zuhause zuerst einmal die Selbsteinschätzung der betroffenen Person mit den tatsächlichen Schlaf- und Wachzeiten abzugleichen.
Oft überwiegt bei PatientInnen der Eindruck, eine Schlafstörung hätte sich nach einer gewissen Zeit verselbständigt und der Schlaf falle völlig unberechenbar einmal gut, meistens jedoch schlecht aus. Genau diese scheinbare Unkontrollierbarkeit des Schlafs führt dazu, dass Betroffene versuchen, sich durch zusätzliche Ruhezeiten oder längere Bettzeiten doch den nötigen Schlaf zu holen. So entsteht allmählich ein Teufelskreis, da die Schlafzeiten und Bettzeiten in ein immer ungünstigeres Verhältnis zueinander geraten (weniger als 90% gilt als problematisch). Grübeln und Sorgen über die Konsequenzen der Schlafstörung verschlimmern und fixieren diese zusätzlich.
Eine effiziente Lösung besteht im Wiedererlernen von gesundem Schlafverhalten: Wenn gestörter Schlaf allmählich „erlernt“ und konditioniert wurde, lässt sich durch die richtigen Massnahmen auch wieder umlernen.
Hier kann das verhaltenstherapeutisch basierte Schlaftraining von Müller und Paterok, entwickelt an der Universität Münster zur Anwendung kommen. Die Auswertung der Schlafprotokolle lässt ein individuelles Schlafprofil entstehen, welches durch Steuerung der Bettzeiten und der Schlafdauer verändert werden kann. So werden schnell erste Erfolge sichtbar und der oder die Betroffene merken, dass Schlaf auch wieder gelingen kann.
Selbstverständlich soll nicht bestritten werden, dass der Schlaf auch ein Indikator für andere vorliegende Belastungen sein kann wie beruflicher Stress, Konflikte, Ängste, ungelöste Probleme oder körperliche Krankheiten.
Die Möglichkeit, mit einem Schlaftraining die Erholung während der Nacht substanziell zu verbessern und so wieder mehr Energie und Ressourcen zur Verfügung zu haben ebnet den Weg für die Beseitigung oder Veränderung anderer ungünstiger Lebensumstände: wer gut schläft, kann durch die daraus geschöpfte Kraft die Widerstandsfähigkeit und Zuversicht erheblich steigern.
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