Herr Amann-Jennson, Sie sind Schlafforscher, Buchautor und Begründer des „Bioenergetischen Schlafes“. Was verstehen Sie darunter?
Schlaf gilt als Quelle von Gesundheit, Fitness, Vitalität und Leistungskraft und zählt als die beste Prävention gegen Stress und Burnout. Man geht heute sogar davon aus, dass unsere Gesundheit zu über 90 % vom gesunden Schlaf abhängt. Diese Quelle möglichst vielen Menschen zu erschließen, ist seit über 25 Jahren mein Ziel. Dafür wurde von mir und einem Expertenteam ein ganzheitliches Schlaf-Gesund-Konzept entwickelt, welches zu einem gesunden, Bioenergetischen Schlaf verhilft. „Bioenergetisch schlafen®“ ist ein von mir geprägter Begriff und bezeichnet die höchste Form der körperlichen, seelischen und geistigen Regeneration durch Schlaf. Dieser hochwertige Schlaf energetisiert und stärkt alle bioenergetischen Systeme von Körper und Psyche messbar besser.
Was passiert eigentlich, während wir schlafen – warum ist Schlaf so wichtig?
Vor allem unser Gehirn ist im Schlaf hochaktiv. Das ist für viele sowohl interessant als auch überraschend, vor allem aber ist es sehr wichtig. Äußerlich strahlt der schlafende Mensch Ruhe aus – dies trifft jedoch nur den Kontakt zur Umwelt.
- In unserem Inneren, explizit in unserem Gehirn, wechseln Ruhe und Aktivität in einem Rhythmus von ungefähr neunzig Minuten. Hier werden wichtige Hormone für unsere körperlich-geistig-seelische Erholung ausgeschüttet.
Im ersten Nachdrittel schüttet der Körper vor allem das Wachstumshormon aus, das sowohl für unser Wachstum als auch für die Regeneration der Körperzellen zuständig ist. Dadurch wachsen z.B. Knochen und Haare und der Fetthaushalt wird stabilisiert.
Ein weiteres wichtiges Hormon, das über die ganze Nacht hinweg ausgeschüttet wird, ist das sogenannte Melatonin. U. a. vermittelt Melatonin unserem Organismus die Botschaft, dass Nacht und somit die richtige Zeit für den Beginn notwendiger Reparatur- und diverser Speicherarbeiten ist. Melatonin ist ein sogenanntes “Mutterhormon”, das die Ausschüttung eines harmonischen Hormoncocktails anregt. - Zahlreiche Entgiftungs-, Heil- und Regenerationsprozesse laufen ausschließlich im Schlaf ab.
- Im Schlaf erfolgt die Stärkung unseres Immunsystems.
- Die “Endverdauung” findet nur im Schlaf statt, weil dazu körperliche Passivität notwendig ist.
- Und ganz wichtig – wir speichern Gelerntes im Schlaf ab. Das, was wir am Tag wiederholt und erlernt haben, wiederholt das Gehirn während wir schlafen. Dadurch wird es richtiggehend festgeschrieben.
Zusammengefast kann man sagen, dass sich der menschliche Organismus während des Schlafes regeneriert und „seine Batterien wieder aufgeladen werden“. Ebenso wichtig ist der erholsame Schlaf auch für unser seelisch-geistiges Wohlbefinden, da spielen auch die Träume eine ganz wichtige Rolle.
Der Schlaf ist eine Instinkthandlung des Menschen“- kann man ihn also wirklich so sehr durch Coaching beeinflussen?
Grundsätzlich funktionieren Instinkthandlungen vollkommen automatisch und benötigen keinen Denkaufwand. Wechseln wir kurz ins Tierreich. Obwohl Räuber und Jäger wie z.B. Katzen instinktiv jagen, müssen sie für eine erfolgreiche Jagd Tricks erlernen. Das Fressen der Beute erfolgt wiederum instinktiv, dass gewisse Beute schmackhafter ist als andere, wird erst im Laufe der Zeit durch Erfahrung gelernt. Zurück zum Menschen. Der Schlaf an sich ist auch eine Instinkthandlung, die wir nicht extra erlernen müssen. Dennoch braucht er ganz klare biologische Grundlagen, damit er tatsächlich funktioniert. Und diese sind abhängig von unserer Lebensweise, unserer körperlichen und seelischen Gesundheit und Fitness, unseren Gewohnheiten bis hin zu unseren Süchten. Vor allem Alkohol, Koffein und Nikotin sind klare Schlafstörer und deshalb müssen die Wechselwirkungen auf den Schlaf erkannt und verändert werden. Der gesunde Schlaf des modernen Menschen ist eine Symbiose aus Lebensstil und unserem Schlafraum mit dem Herzstück Bett samt Schlafsystem, welches die Bereiche Orthopädie, Bett- und Elektroklima regulieren sollte. Grundsätzlich gilt: es gibt buchstäblich nichts, das keinen Einfluss auf unseren Schlaf hat. Damit wir gesund schlafen können benötigen wir unter anderem sonnendurchflutete, schlaffreundliche Tage und am Abend Entspannung, Dunkelheit, Stille, Sicherheit. Viele Menschen haben da große Defizite, die durch ein Schlaf-Gesund-Coaching aufgeklärt und verändert werden können.
Wie können Menschen mit Schlafproblemen ihre Schlafqualität trotz Alltagsstress verbessern – worauf sollte man achten?
Zuerst die gute Nachricht – Über 90 Prozent der Schlafstörungen haben keine organische Ursache. Die schlechte Nachricht ist – es gibt tausend Gründe, warum jemand schlecht schläft und sich im Schlaf nicht mehr ausreichend erholen kann. Schlaf ist nämlich etwas sehr Individuelles. Dennoch, der innere, emotionale Stress ist ein Hauptgrund, warum viele Menschen schlecht schlafen. Dazu gibt es allerdings wieder eine gute Nachricht – jeder Schlaf ist verbesserbar, denn Stress ist schlussendlich wieder ein vorwiegend psychologisches Problem. Wie bereits erwähnt, der Schlaf benötigt elementare Voraussetzungen, damit er zu unserem Nutzen funktioniert. Meine jahrelangen Forschungen haben eindeutig ergeben, dass neben den Tagesgewohnheiten und dem Erlernen von bewusster Entspannung die größte Hebelwirkung zur Schlafverbesserung im richtigen Schlafsystem samt einem harmonischen, störungsfreien Schlafumfeld liegt. Das Bett, die Matratze bzw. das Schlafsystem ist aus biologischer Sicht überhaupt das wichtigste Möbelstück in Haus, Wohnung und in der gehobenen Hotellerie. Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Schlaf. Bereits vor über 20 Jahren habe ich zusammen mit Experten ein ganzheitliches Schlaf-Gesund-Konzept, also eine „Hardware“ entwickelt. Dieses Konzept entspricht allen schlafbiologischen, orthopädischen, bettklimatischen und elektrobiologischen Voraussetzungen für ein Bioenergetisches Schlaferlebnis und funktioniert heue besser denn je. Gleichzeitig wird über ein kompetentes Beratungs-Netzwerk ein umfassendes Know-how, also die dazugehörige „Software“ auf den verschiedensten Ebenen angeboten, um dadurch für Kunden die beste Schlafqualität und damit die höchstmögliche körperlich-seelisch-geistige Regeneration durch Schlaf zu erreichen. Ich berate zwischenzeitlich die gehobene Wellness-Hotellerie für die ich spezielle POWER SLEEPING ROOMS entwickelt habe. Gleichzeitig bilde ich Wellness-Trainer zu Schlaf-Gesund-Coaches aus, die über Entstressungs- und Wellnessprogramme den gesunden Schlaf unterstützen.
Ihre Bücher tragen Titel wie „Schlaf dich gesund“ und „Schlaf dich jung, fit und erfolgreich“. Was kann die Schlafpsychologie positiv verändern, wo sind ihre Grenzen?
Ich habe bereits darauf hingewiesen, mitentscheidend für einen gesunden, erholsamen Schlaf ist unsere persönliche Lebensweise. Der Schlaf ist psychologisch gesehen, der Spiegel unseres Tages und umgekehrt beeinflusst der Schlaf den nächstfolgenden Tag. Zudem ist der gesunde Schlaf der „beste Heiler“, denn alle wichtigen Reparatur-, Regenerations- und auch Heilprozesse finden vor allem im Schlaf statt. Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Gründen, warum es viele Menschen „verlernt“ haben, mit ihrem natürlichen, instinktiven Schlafbedürfnis vernünftig umzugehen. Die Schlafpsychologie beschäftigt sich genau mit dieser Thematik. Denn ein guter Teil der Schlafprobleme ist sicherlich unserer schlaffeindlichen Lebensweise geschuldet. So ist Stress eine der Hauptursachen von Schlafstörungen. Man muss unter anderem feststellen, dass in der Arbeitswelt ein immer höherer Zeitdruck herrscht. Diese Belastungen des Tages können dann dazu führen, dass die Betroffenen zu angespannt sind, um einzuschlafen. Die innere Anspannung ist die direkte Ursache für das Nicht- Schlafen-Können, denn um schlafen zu können, muss man zunächst einmal entspannen können. Dies ist ebenfalls Aufgabe der Schlafpsychologie. Zudem hat Schlafen mitunter ein schlechtes Ansehen in unserer Gesellschaft und gilt als vergeudete Zeit. Es gibt genügend Leute, die sich damit brüsten, mit sehr wenig Schlaf auszukommen und sich aus diesem Grund als besonders leistungsstark empfinden. Das ist aber Unsinn, denn wir Menschen müssen uns im Gegensatz zu Maschinen erholen. Die Grenzen der Schlafpsychologie sind vor allem dort zu sehen, wo organische Ursachen, Krankheiten, Schmerzen, Nebenwirkungen von Medikamenten, chronische Depressionen und Ähnliches Hauptursache von Schlafstörungen sind.
Wie und wann kamen Sie zu Ihrem Fachgebiet, der Schlafpsychologie?
Die Basis ist die Psychologie. Ich habe über 10 Jahre eine psychologische Praxis betrieben und mich zusammen mit meinen Klienten mit verschiedenen Facetten der Psychologie auseinandergesetzt. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass eigentlich niemand gut schläft, der psychologische, psychische, psychosomatische und soziale Probleme hat. Dies war der Startschuss zur Schlafpsychologie, denn es gibt eine große Anzahl von psychologischen Fakten zum Phänomen Schlaf. Angefangen von den Wechselwirkungen zwischen Schlaf und Psyche, der Erkenntnis, dass unsere Kreativität, unsere Sprachentwicklung, unsere Gedächtnisbildung bis hin zu unseren Träumen, sehr viel mit Schlaf zu tun hat. Daraus haben sich dann im Laufe der Jahre zwei Visionen entwickelt. Erstens Wege zu finden um der Schlaf messbar zu verbessern und zweitens den Schlaf sowohl diagnostisch als auch therapeutisch nutzbar zu machen. Damit habe ich mich die letzten 25 Jahre beschäftigt.
Wie sorgen Sie persönlich für Ihren guten Schlaf?
Ich würde sagen, dass ich ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu meinem Schlaf habe, alles Notwendige dafür mache und auch die biologischen Rhythmen gut akzeptieren kann. Denn je nach Lauf der inneren Uhr sind wir chronobiologisch Lerchen, Eulen oder Mischtypen. Ich bin zum Beispiel eine echte Lerche, das heißt nach Möglichkeit früh ins Bett und früh wieder auf. Ich genieße den Schlaf mit all seinen Facetten. Und wenn ich einmal schlechter geschlafen habe, akzeptiere ich das auch. Ich beschäftige mich auch intensiv mit meinen Träumen, die ja psychologisch gesehen die sogenannten Schatten unserer Seele spiegeln, also unsere eher dunklen Seiten beleuchten. Da ist viel Potential zur Selbstoptimierung auf allen Lebensebenen. Zudem nutze ich meine Träume auch für die Kreation neuer Ideen.
Kann, wer lange „falsch geschlafen“ hat, den richtigen Schlafrhythmus wieder „lernen“? Wie trägt Ihre Schlafanalyse dazu bei?
Bewusst „falsch schlafen“ tun die wenigsten Menschen, die sich um ihre Gesundheit kümmern. Je mehr man über den Schlaf und seine Notwendigkeiten weiß, umso besser kann man seinen Schlaf positiv beeinflussen und verbessern. Die größte Motivation sollte dabei sein, dass der Schlaf die wichtigste Säule für unsere Gesundheit, Vitalität, unser Wohlbefinden und unsere Leistungskraft ist. Deshalb hat auch die WHO – Weltgesundheitsorganisation – den Schlaf neben der Ernährung und Bewegung als dritte wichtige Säule in ihren Kodex aufgenommen. Eine Schlafanalyse umfasst ein umfangreiches Fragenprogramm sowie eine ambulante, vorzugsweise mehrnächtige Schlafaufzeichnung. Die ganze Thematik ist sehr komplex, es gibt in der Schlafwissenschaft über 100 verschiedene Formen von Schlafstörungen. Die häufigsten sind allerdings nach wie vor die Ein- und Durchschlafstörungen sowie das zu frühe Erwachen. Da gibt es in der Zwischenzeit geniale und einfach zu bedienende Schlafmessgeräte, die dies gut dokumentieren. Bei diesen Messungen werden die Gehirnströme gemessen, da geht es vor allem um die Schlafzyklen und die Bewertung von Einschlafzeit, Abfolge der Schlafzyklen und ihr Verhältnis zueinander bis hin zur Schlafeffizienz. Diese wird ein immer wichtiger Parameter. Denn viele Menschen liegen zwar acht Stunden im Bett, schlafen aber nur 5-6 davon. Die übrige Zeit liegen sie wach. Da wir generell die letzten Jahrzehnte etwa 2 Stunden Schlaf verloren haben, ist es wichtig, wenn wir kürzer schlafen, dass wir eben effizient schlafen. Darauf zielen meine Konzepte auch ab.
Nächsten Monat wird die Zeit wieder um eine Stunde auf Winterzeit umgestellt. Halten Sie diese Regelung für sinnvoll?
Ja, am Sonntag den 30.10.2011 um 3:00 Uhr ist es wieder soweit – Umstellung auf die Winterzeit oder Normalzeit. Die Uhr wird dann um 1 Stunde zurückgestellt und die Nacht ist also 1 Stunde länger, worüber sich die meisten freuen. Viele wachen aber morgens eher auf und werden abends früher müde. Oftmals ist die Anpassung an die Zeitumstellung für den Organismus von Senioren, Säuglingen und Kindern schwieriger. Dies hängt wieder mit unserer “inneren Uhr” zusammen. Unser Organismus ist in vielen Bereichen so aufgebaut, dass er einem bestimmten Rhythmus folgt, der sich jeden Tag wiederholt. Schon diese vermeintlich kleine Zeitumstellung von nur 60 Minuten kann zu zahlreichen Reaktionen wie Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Problemen, Verdauungsstörungen und natürlich Einschlaf- und Durchschlafstörungen führen. Umstellungsreaktionen betreffen etwa 20 % der Menschen, doch gut ist dies für niemanden. Denn obwohl der Großteil über keine nachhaltigen Probleme berichtet, haben Chronobiologen nach Studien an über 50.000 Menschen bestätigt, dass der Organismus sich eigentlich an diese zwei Mal jährlich stattfindenden Zeitumstellungen biologisch gar nicht gewöhnen kann. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Verraten Sie uns zum Schluss noch einige wichtige Regeln, um gesund und erholsam zu schlafen
- Das wichtigste zuerst: machen Sie sich nicht zu viele Sorgen um Ihren Schlaf! Wenn die grundlegenden Voraussetzungen stimmen, reguliert sich Ihr Schlaf von selbst.
- Schaffen Sie schlaffreundliche Tage mit Bewegung im Freien, ausreichend Wasser trinken, Entspannung, Vollatmung
- Falls man bereits schlecht schläft auf Nickerchen untertags verzichten, da diese den Schlafdruck vermindern.
- Achten Sie auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus. Gehen Sie erst ins Bett, wenn Sie wirklich müde sind.
- Besonderen Einfluss haben die Schlafunterlage und die Schlafumgebung: eine orthopädische, ganzheitliche Schlafunterlage, angenehme Schlafzimmertemperatur, Raumverdunkelung und Schalldämpfung, keine Arbeit oder Uhren, Elektrosmog am Schlafplatz vermeiden
- Stunden vor dem Schlafen leichtverdauliches Essen: ein übervoller Magen stört den Schlaf.
- Künstliches Licht mit hohem Blaulichtanteil (Handy, TV- und Computer Bildschirme) sollte besonders am Abend vermieden werden. Laden Sie sich ein Blaulicht-Filter-App herunter. Übrigens: der Blaulichtanteil von Energiesparlampen und LED ist hoch.
- Kein Koffein – speziell abends auf Kaffee, Cola oder Schwarztee verzichten. .
- Auch übermäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum wirken schlafstörend.
- Vorsicht mit chemischen Schlafmitteln.
- Sport: Machen Sie vier bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen körperliche Bewegung, das macht müde. Zu kurz vor der Schlafenszeit aktiviert körperliche Tätigkeit den Kreislauf zu stark. Sex bildet hier die Ausnahme: Sex ist fördert eindeutig den Schlaf.
- Verbringen Sie den Abend entspannt.
- Den Tag vor dem Zubettgehen ausklingen lassen – Einschlafrituale kennen lernen und ausprobieren
- Genauso wichtig wie das richtige Einschlafen ist das richtige Erwachen. Heiteres Erwachen – Aufwachrituale (Sonne, Licht, frische Luft, Bewegung, Wasser trinken).
Bildquelle: @SAMINA
Quelle: Prager Zeitung