In Japan nennt man es Shinrin Yoku – das „Baden in Waldluft“. Anders als beim normalen Spaziergang geht es beim Waldbaden darum, sich über alle fünf Sinne mit der Natur zu vereinigen. Und zahlreiche Studien scheinen eines zu zeigen: Die Wirkung des Waldes geht über reine Wellness hinaus.
Bereits seit 1982 untersucht das japanische Agrarministerium die medizinische Wirkungsweise des Waldbadens, und dies offenbar mit wachsender Anerkennung: Seit 2012 wird Waldmedizin als Forschungszweig an den Universitäten angeboten. Zahlreiche Studien konnten seither nachweisen, dass bereits ein kurzer Aufenthalt im Wald die Zahl der Killerzellen erhöht, das Immunsystem verbessert, und dass sowohl Blutdruck, Kortisol als auch der Puls nach nur einer Stunde Waldzeit sinken. Warum das so ist, darüber spekulieren Evolutionsbiologen, Mediziner und Psychologen gleichermaßen.
Der Mensch: Ein Wesen der Natur
Gerade Stadtbewohner sind dem ständigen Einfluss von Stressoren ausgesetzt, die das Aufkommen von Angstzuständen, Depressionen oder Psychosen begünstigen können. Von 7 Millionen Jahren Evolution hat der Mensch weniger als 0,1 % in Städten verbracht – ein gutes Argument dafür, dass der Organismus sich noch nicht völlig an die urbane Umgebung als gesunden Lebensraum anpassen konnte. Die evolutionäre Verbundenheit des Menschen zur Natur geht dementsprechend tief und wirft noch heute Schatten: Experimenten zufolge finden Menschen vor allem die Landschaften ansprechend, die offen sind und trotzdem einen gewissen Schutz bieten – etwa Wälder mit Lichtungen, oder grüne Wiesen mit Gewässer und Bäumen. Eine Kombination, die an die Savanne Ostafrikas erinnert – dem Ursprungsgebiet des Homo sapiens. Außerdem bewerteten Studienteilnehmer besonders die Bäume als positiv, die große, schattenspendende Kronen tragen, an denen man leicht emporklettern könnte, und die essbares Obst oder feuertaugliches Holz bieten. Alles mögliche Anzeichen dafür, dass die Liebe zu Baum und Wald uns gewissermaßen noch von früher im Blut steckt und von einer Zeit herrührt, in der wir diese Verbindung zum Überleben brauchten.
Entschleunigung im Wald
Auch den heilenden Kräften unserer Fichten, Buchen und Kiefern wird nun bewusst mehr Aufmerksamkeit geschenkt: In Deutschland und Österreich werden vermehrt Waldbadepfade angelegt, Ausbildungskurse zur Waldbad-TrainerIn sind immer öfter ausgebucht. Dabei ist der Grundgedanke, dass der Mensch sich in der Natur wohl fühlt und gut entspannen kann, natürlich nichts Neues. Gerade in Zeiten des Umbruchs zieht es uns zur Entschleunigung fast instinktiv in den Wald. Ausschlaggebend für dessen wohltuende Wirkung sei dabei u.a. das Mikroklima – also die speziellen Lichtverhältnisse, die Ruhe und die vitalisierende Wirkung der kühlen Luft.
Duftstoffe für die Gesundheit
Charakteristisch für den Wald ist natürlich auch sein besonderer Duft. Dieser hat es renommierten Forschern zufolge auch auf molekularer Ebene in sich: Demnach seien es Terpene, also die antibiotischen Duftstoffe, die Bäume vor Krankheitserregern schützen sollen, die auch der menschlichen Gesundheit zugutekommen. So zeigten Probanden nach einer Nacht in einem Raum, dessen Luft mit Terpenen angereichert wurde, einen deutlichen Anstieg an Killerzellen im Blut. Manche Wissenschaftler schreiben solche Beobachtungen lieber psychologischen Wirkungen zu, z.B. positiven Erinnerungen aus der Kindheit. Wiederum andere argumentieren, dass das Walderlebnis eine Interaktion mit der Natur auf mehreren Ebenen darstellt, die nicht auf einen Faktor reduziert werden kann.
„Waldbad“ im Büro
Wer keinen Wald in der Nähe hat, muss nicht verzagen: Auch eine Pause im Stadtpark oder Garten kann auf ähnliche Weise positiv wirken. Zur Überbrückung sind sogar Zimmerpflanzen besser als gar kein Grün, und alleine das Betrachten von Waldfotografien oder Waldbad-Videos hat einen positiven Effekt auf das psychische Befinden. Für das Dufterlebnis können außerdem ätherische Öle, naturrein aus Zweigen destilliert, den Wald zumindest ein bisschen nachhause oder auch ins Büro holen.
Wie geht Waldbaden? Anleitung zu „Shinrin Yoku“
- Ablenkungen wie Handy und Kamera zuhause lassen, um völlig präsent sein zu können. Mit eventuellen Begleitern erst danach über die Erfahrung sprechen.
- Jeglicher Leistungsanspruch ist hier fehl am Platz – einfach ziellos durch den Wald schlendern und sich vom eigenen Körper führen lassen.
- Immer wieder innehalten um Blätter zu sammeln, Gerüchen nachzugehen oder die verschiedenen Baumrinden zu ertasten.
- Gemütlichen Sitzplatz finden und zuhören, wie die Geräuschkulisse sich verändert, den Blick in die Ferne schweifen lassen und den eigenen Atem beobachten.
- Die Stille und die Geborgenheit im Wald genießen.
Bildquelle: Fotolia
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