Wie sich der Schlaf auf körperliche Prozesse im Allgemeinen und speziell auf den menschlichen Stoffwechsel auswirkt, wurde bereits in einer Vielzahl von Forschungsprojekten untersucht. Von ungebrochenem Interesse ist für die Wissenschaft, worin die Kernfunktionen des Schlafs bestehen.
So zeigen etwa mehrere Studien, dass Übergewicht bei Kindern, die konsequent früher ins Bett gehen und regelmäßige Schlaf- und Weckzeiten beibehalten, seltener vorkommtˡ. Weiters wurde bei Erwachsenen u.a. festgestellt, dass bereits ein geringfügiges Schlafdefizit sich langfristig auf die Insulinresistenz und Fettleibigkeit auswirken kann² und dass chronischer Schlafmangel zu unerwünschter Gewichtszunahme beitragen kann³. Dies sind nur ein paar sehr wenige Beispiele für einen komplexen Zusammenhang, der auf mehreren Ebenen in der Forschung untersucht wird.
Schlaf konserviert Energie
Nun wollen Wissenschaftler in einer im April 2020 erschienenen Studie Belege dafür gefunden haben, dass Übergewicht in umgekehrter Weise den Schlaf stören kann. Als Testsubjekte wurde eine bestimmte mikroskopische Wurmart eingesetzt (C.elegans). Um diesen Zusammenhang zwischen Stoffwechsel und Schlaf also näher zu untersuchen, modifizierten die Forscher die Genetik von C.elegans-Würmern, und deaktivierten dabei jenes Neuron, das den Schlaf reguliert. So konnten die Würmer alle Funktionen uneingeschränkt wie gewohnt ausführen, nur nicht schlafen. Ergebnis: Es zeigte sich ein starker Abfall der ATP-Werte – also des Nukleotids, das unsere Zellen mit der Energie versorgt, die sie für diverse Prozesse benötigen. „Diese Beobachtung lässt darauf schließen, dass Schlaf dazu dienen soll, Energie zu konservieren”, so der Neurologe Dr. Raizen.
Chance für zukünftige Behandlungen von Schlafstörungen
In früheren Untersuchungen war das KIN-29-Gen von C.elegans-Würmern isoliert untersucht worden. Dieses Gen ist vergleichbar mit dem menschlichen SIK-3-Gen, welches für den Schlafdruck zuständig ist. Als die Forscher dieses KIN-29-Gen deaktivierten, um die Würmer schlaflos zu machen, sammelten die Würmer überschüssiges Fett an, obwohl zugleich ihre ATP-Werte gesunken waren. Die Forscher spekulierten, dass die Würmer nicht schliefen, weil sie ihre Fettspeicher nicht freisetzen konnten. Nach einer weiteren genetischen Manipulation mit einem Enzym, welches ihr Fett abbauen ließ, konnten die Würmer wieder schlafen.
Gestörte Interaktion zwischen Fettspeichern und Gehirn
Dr. Raizen erwähnte dies als möglichen Grund für Schlafstörungen bei fettleibigen Menschen. „Es könnte Kommunikationsprobleme zwischen Fettspeichern und den Gehirnzellen geben, die den Schlaf kontrollieren.” Wie genau die Wechselwirkung von Schlaf und Essen funktioniert, bleibt weiterhin nicht zu 100 % geklärt, und bietet auch zukünftig viel Stoff für die Wissenschaft. Dr. Raizen sieht in dieser Studie dennoch einen wichtigen Schritt in diese Richtung, aus der sich effektive Behandlungsmöglichkeiten von Schlafstörungen erschließen könnten. So kann wohl jede noch so kleine Maßnahme, die den Schlaf fördert, dem Stoffwechsel dienen, und zugleich jede gesunde Bemühung zum Abbau von Übergewicht den Schlaf verbessern.
1 z. B. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/apa.15219
² https://www.newswise.com/articles/losing-30-minutes-of-sleep-per-day-may-promote-weight-gain-and-adversely-affect-blood-sugar-control
³ https://www.alphagalileo.org/en-gb/Item-Display/ItemId/150650)
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