Bei der im Juli durchgeführten Online-Umfrage bezüglich der Abschaffung der Zeitumstellung sprach sich die Mehrheit der teilnehmenden EU-Bürger (84 Prozent von 4,6 Millionen Teilnehmern) für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus. Darauf hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit der Vorlage eines Gesetzesvorschlags beim Europaparlament reagiert. Dieser sieht vor, dass am 31. März 2019 die Uhren das letzte Mal verpflichtend umgestellt werden. Die Zeitumstellung am 27. Oktober 2019 wäre freiwillig.
Die Entscheidung, ob die Sommer- oder Winterzeit beibehalten wird, soll den EU-Mitgliedstaaten überlassen werden. Juncker selbst würde die Beibehaltung der Sommerzeit begrüßen. Doch bevor es so weit kommt, müssen das Europaparlament und die EU-Staaten dem Gesetzesvorschlag erst zustimmen.
Wissenschaftler warnen vor dauerhafter Sommerzeit
Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gibt in einer Stellungnahme zur Beibehaltung bzw. Abschaffung der Sommerzeit an, dass der Großteil der Menschen mit der Umstellung auf Sommerzeit wesentlich mehr Schwierigkeiten hat, als mit der Umstellung auf Winterzeit (Normalzeit). Deshalb spricht sich die DGSM für die dauerhafte Winterzeit (Normalzeit) aus. Gemäß dem DGSM-Vorsitzenden Alfred Wiater entspricht die Winterzeit den Verhältnissen, die sich unter Berücksichtigung der natürlichen Lichteinwirkung am besten auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus auswirkt.
Innere Uhr als Taktgeber
Unsere Zeiten von Aktivität sowie Ruhe, Erholung und Schlaf werden durch zirkadiane Rhythmen, welche sich nach der inneren Uhr richten, gesteuert. Als entscheidender Impulsgeber für die innere Uhr dient die Sonne. Durch das Sonnenlicht werden Körperfunktionen wie beispielsweise Stoffwechsel, Körpertemperatur, Herzfrequenz und Blutdruck beeinflusst. Die wenigsten Europäer können sich jedoch nach ihrer inneren Uhr richten. Die Aufstehzeit wird von der sozialen Zeit (Arbeits- und Schulbeginn) bestimmt. Sie benötigen einen Wecker, um rechtzeitig wach zu werden. Dadurch kommt es zum sozialen Jetlag.
Die biologischen Rhythmen werden durch die Ausschüttung von Hormonen gesteuert. So auch der Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieser wird durch das „Schlafhormon“ Melatonin beeinflusst, das dafür sorgt, dass man müde wird. Die Produktion des Hormons erfolgt durch Hell-Dunkel-Reize, die über das Auge zum Nucleus suprachiasmaticus, einem Nervenknoten im Gehirn, gelangen. In erster Linie wird Melatonin nachts, wenn es dunkel ist, in den Blutkreislauf abgegeben. Bedingt durch das Tageslicht ist die Ausschüttung tagsüber wesentlich niedriger. Durch die Sommerzeit ist es abends länger hell, wodurch die Produktion des Schlafhormons später einsetzt. Dadurch wird man später müde, muss aber dennoch früh aufstehen. Dadurch können Schlafmangel und Schlafstörungen entstehen. In Folge kann es unter anderem zu Konzentrationsstörungen, Leistungsabfall, Tagesmüdigkeit und Gereiztheit kommen. Ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus erhöht zudem das Risiko, an Herz-Kreislauf-Störungen, Depressionen und Diabetes zu erkranken.
Dieser Effekt konnte auch in Russland nach der Einführung der ganzjährigen Sommerzeit im Jahr 2011 festgestellt werden. So nahmen die Zahl von Depressionen sowie die Selbstmordrate aufgrund von Schlafmangel, vor allem in den Wintermonaten, in denen es morgens lange dunkel war, drastisch zu. Ebenso stieg die Anzahl von Verkehrsunfällen in den Morgenstunden. Die Konsequenz daraus war die Umstellung auf die ganzjährige Winterzeit im Jahr 2014 durch Wladimir Putin.
Nicht nur die dauerhafte Sommerzeit, sondern auch die Beibehaltung der Zeitumstellung kann dazu führen, dass die innere Uhr aus dem Takt gerät. Durch die zeitliche Verschiebung kommt es zu einem Mini-Jetlag. Viele Menschen leiden in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung unter Einschlafproblemen und in Folge unter Schlafmangel.
Da die mögliche Abschaffung der Zeitumstellung erst für 2019 vorgesehen ist, findet die nächste Zeitumstellung am 28. Oktober 2018 statt. Deshalb halten wir ein paar Tipps bereit, wie Sie dem Mini-Jetlag vorbeugen können. Lesen Sie dazu mehr in unserem nächsten Beitrag „Tipps zur Zeitumstellung“.
Quellen:
Stellungnahme DGSM zur Beibehaltung / Abschaffung der Sommerzeit (https://www.dgsm.de/downloads/aktuelles/Stellungnahme%20Sommerzeit%202018.pdf)
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