Bessere Schulnoten durch gesunder Schlaf!
Martin Böckle: Heute geht es um den Schaf von Schulkindern und Jugendlichen. Das ist ja immer wieder ein brisantes Thema. Vor allem was die Schule angeht. Schlafen Kinder anders als Erwachsene?
GWA: Ja – Kinder unterscheiden sich in den meisten Bereichen von den Erwachsenen. Auch was den Schlaf betrifft. Der biologische Schlafbedarf ist viel höher, die Schlafzyklen sind insgesamt kürzer, die Tiefschlafphasen viel ausgeprägter. Da werden ja die Wachstumshormone ausgeschüttet, da Kinder noch wachsen müssen. Auch das Gehirn muss sich entwickeln. Ab einem Alter von 6-7 Jahren haben Kinder auch zusammenhängende Träume. Diese Träume sind oft sehr intensiv – Albträume öfter als Erwachsene. Kinder neigen mehr zum Schlafwandeln, Zähneknirschen oder Bettnässen. Schnarchen bei Kindern ist zudem abnormal und sollte ärztlich abgeklärt werden.
Beim Schlaf von Schulkindern geht es vor allem um Erholung, Wachstum und Regeneration. Und ein ganz wichtiger Punkt um die Gedächtniskonsolidierung, also die Verankerung von Gelerntem in unserem Langzeitgedächtnis.
Martin Böckle: Bevor wir das genauer behandeln, wie viel Schlaf braucht ein Schulkind wirklich?
GWA: Auch bei Kindern gilt – wie bei Erwachsenen, das ist individuell und altersabhängig. Die Empfehlungen der WHO und Schlafmedizin sind:
- Grundschüler: 10 bis 11 Stunden
- Kinder/Jugendliche ab 12 Jahren: 9,5 Stunden
- Jugendliche ab etwa 16 Jahren: 8 Stunden
Abweichungen von 1-2 Stunden sind völlig normal. Übrigens die Frage Mittagsschlaf ja oder nein beantwortet ihr Kind selbst. Im Kindergartenalter und bis zur 1./2. Schulklasse schlafen die Kinder mittags noch gerne. Dann ist das Bedürfnis nicht mehr so da. Trotzdem benötigen die Kinder eine gute Mittags- und Ruhepause.
Martin Böckle: Kommen wir zurück zur Schule. Immer mehr Lehrer klagen über unkonzentrierte Schüler, die wahlweise zu impulsiv oder einfach nur müde im Unterricht sitzen. Sie sind zwar anwesend, beteiligen sich aber nicht wirklich am Unterricht. Daraus ergibt sich die Frage: Wie wirkt sich der Schlafmangel auf den Unterricht aus.
GWA: Gerade für Schulkinder ist der Schlaf elementar wichtig. Und genau hier haben wir wieder ähnliche Phänomene wie bei den Erwachsenen. Der Schlafmangel wirkt sich natürlich auf das gesamte Tagleben des Kindes aus, insbesondere natürlich auf den Unterricht und die Schulleistungen.
Martin Böckle: Da geht es vor allem um die Abspeicherung von Gelernten. Nochmals zum Verständnis, worum geht es da genau und was hat das mit dem Schlaf zu tun?
GWA: Einfach ausgedrückt – ohne ausreichenden und erholsamen Schlaf gibt es kein Lernen. Das heißt unser Gedächtnis versagt, wir können uns an das Gelernte einfach nicht mehr erinnern. Da geht es einmal um das deklarative Gedächtnis. Beim Langzeitgedächtnis wird konkretes Wissen abgespeichert – zum Beispiel Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. Und dann gibt es das sogenannte prozedurale Gedächtnis. Dazu gehören vor allem motorische Abläufe Fahrradfahren, Schwimmen, Tanzen, Skifahren, etc. Dieser Speicher beinhaltet Fertigkeiten, die automatisch, ohne Nachdenken eingesetzt werden können. Und wenn dies durch Schlafmangel behindert wird, kann man sich ausmalen was das bedeutet.
Martin Böckle: Das ist alles sehr interessant. Haben Sie auch einen Tipp für die Eltern, wann Schulkinder am besten lernen sollten?
GWA: Die Zusammenhänge sind sehr kompliziert. Für das Lernen von konkretem Wissen ist aber der Nachmittag gut. Und für das Lernen von motorischen Fähigkeiten wäre der Abend besser. Generell ist es vorteilhaft, den Lernstoff 1-2 Std. vor dem Schlafen nochmals durchzulesen. Dann findet über den Schlaf eine bessere Verankerung des Gelernten statt. Und ausgeschlafen kann Neues auch viel besser erlernt werden!
Martin Böckle: Was ist bei Schulkindern noch besonders wichtig zu beachten?
GWA: Ja es geht wieder um die Faktoren Schlafdauer und Schlafqualität. Eine zwischenzeitlich berühmte Studie des US-Psychiaters David Dinges Studien zeigt, dass sich Schlafmangel auch bei Kindern unmittelbar auf Konzentration, Reaktion und Lernleistung auswirken. Natürlich auch auf die körperlich-seelisch-geistige Gesundheit und Entwicklung des Kindes.
Martin Böckle: ist als schlechter Schlaf und vor allem zu wenig Schlaf mit verantwortlich für schlechte Noten im Zeugnis?
GWA: Diese Frage lässt sich eindeutig mit JA beantworten. Dazu gibt es z.B. auch in Deutschland Statistiken die zeigen, dass beispielsweise die Abiturnoten von regelmäßig sehr spät einschlafenden Teenagern wesentlich schlechter ausfallen, als von Teenagern, die regelmäßig und ausreichend schlafen. Und dazu ist noch wichtig zu wissen – Schlaf lässt sich auch nicht ohne weiteres nachholen. Also man kann weder vor-schlafen noch nach-schlafen. Wie bei den Erwachsenen entwickeln auch immer mehr Kinder ein Schlafdefizit, da sie immer später ins Bett gehen und meistens sehr früh aufstehen müssen.
Martin Böckle: Apropos Teenager – wenn die Kinder älter werden, also in die Pubertät kommen, dann gibt es auch im Bereich des Schlafes Veränderungen?
GWA: Das ist ein weiteres Phänomen. Denn in der Pubertät gleicht sich das kindliche Schlafverhalten dem der Erwachsenen an. Viele Jugendliche werden plötzlich zu Eulen! Werden schlicht und ergreifend erst viel später müde. Gehen viel später zu Bett und müssen früher aufstehen – Schlafdefizit! Sprich: Teenager möchten nicht einfach so plötzlich länger wach bleiben dürfen, weil sie meinen, sie seien nun alt genug dafür, sondern sie werden schlicht und ergreifend erst viel später müde. Augenscheinlich ein Wunsch der Natur, der jedoch verhindert, dass Pubertierende morgens frühzeitig auch wieder aus den Federn kommen und sich in der Schule ausreichend konzentrieren können.
Martin Böckle: Was können Eltern nun tun, damit ihre Kinder zu einem gesunden Schlaf kommen?
GWA: Auch Kinder und Jugendliche unterliegen den gleichen Gesetzmäßigkeiten für einen gesunden, erholsamen Schlaf wie Erwachsene. Das heißt es geht auch hier wieder um die elementaren konstanten und variablen Einflussfaktoren. Also um das Schlaf-Gesund-Trio Bett/Schlafsystem – Schlafplatz und Schlafraum. Das ist in jedem Fall der entscheidende Faktor.
Gerade für Kinder, die noch in der Wachstumsphase sind, wäre der biologisch beste Schlaf das Wichtigste. Deshalb gilt besonderes Augenmerk dem Schlafraum und dem Bett. Und um die Dinge, welche die Kinder am Tag machen. Bewegung, Ernährung, Sonnenlicht etc. Und vor allem auch abends – Fernsehen, Computer, Smartphone usw. stören durch den hohen Blaulichtanteil den Schlaf.
Martin Böckle: Zusammengefasst kann man sagen – wenn ein Kind Probleme in der Schule hat, unkonzentriert und übermüdet wirkt, emotional nicht ausgeglichen ist, schlechte Noten bekommt, dann sollten die Eltern sich auch mit dem Schlafverhalten des Kindes auseinandersetzen?
GWA: Gerade Kinder brauchen ihren regelmäßigen und ausreichend langen Schlaf, um das am Tag Gelernte in der Nacht zu verinnerlichen und zu verfestigen. Erwachsene haben es da manchmal einfacher, denn sie können Schlafdefizite in der Nacht durch einen Mittagsschlaf wieder ausgleichen. So haben die Untersuchungen von David Dinges ebenfalls ergeben: Es kommt nicht unbedingt darauf an, dass das tägliche Schlafpensum an einem Stück absolviert wird, es kommt jedoch darauf an, dass wir täglich den Schlaf bekommen, den wir benötigen.
Schulkinder haben es hier weitaus schwerer, denn irgendetwas blockiert sie, um mittags wirklich ein oder zwei Stunden schlafen zu können. Können sie es doch, ist dies nur ein weiteres Anzeichen dafür, dass ihnen der Schlaf in der Nacht fehlt und sie schon seit längerer können. Wer ausreichend schläft, bekommt auch bessere Schulnoten!
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