Forschungsergebnisse zeigen auf, dass Schlafen in Bezug auf das Gehirn auch eine physiologische Funktion hat, also auf die physikalischen und biochemischen Vorgänge in den Gehirnzellen und im Gehirngewebe Einfluss hat. Unser Körper transportiert über das Lymphsystem schädliche und giftige Stoffe (Toxine) aus den Zellen und dem Kreislaufsystem unseres Körpers zu den Ausscheidungsorganen. Es hat ähnliche Aufgaben wie unser Blutsystem: Abtransport von beispielsweise Eiweißkörpern, Bakterien, Schadstoffen und Reinigung der Lymphflüssigkeit in den Lymphknoten. Erstaunlicherweise ist unser zentrales Nervensystem samt Gehirn an dieses Lymph-Netzwerk nicht angeschlossen. Bisher galt diesbezüglich das Modell, dass unser Gehirn die vorhandenen Giftstoffe auf Zellebene selbst verarbeitet und neutralisiert. Sobald dieser Prozess allerdings versagt, treten durch die Ansammlung von Giftstoffen und der Bildung von Plaque im Alter Verfallserscheinungen und Erkrankungen wie Demenzen und Alzheimer auf.
Gehirn hat eigenes Entgiftungs-System
Wissenschaftliche Versuche an Mäusen haben jetzt mehr Klarheit in diesen Prozess gebracht. So ist nun die These entstanden, dass auch für unser Gehirn ein eigenes Entgiftungs-System, also ähnlich dem Lymphsystem, bestehen könnte. In der Studie wird dies als „Glymph-System“ bezeichnet und stellt einen Bezug zu den sogenannten „Gliazellen“ her, die darin eine entscheidende Rolle spielen. Der Entdecker der Gliazellen ist Dr. Rudolf Virchow. Er vermutete schon zu seinen Lebzeiten in den Gliazellen Stütz- und Haltefunktion für die Nervenzellen und gab ihnen deshalb den Namen Gliazellen, abgeleitet aus dem griechischen Wort „glia“ (Leim). Heute weiß man, dass die Gliazellen unter anderem tatsächlich als Stützzellen der mechanischen Stabilisierung der Nervenzellen dienen, indem sie quasi die Aufgaben eines Bindegewebes im Nervensystem übernehmen. Die Experimente mit Mäusen haben nun in den Mechanismus dieses für das Gehirn wichtigen Glymph-Systems einen Einblick gegeben. Mit speziellen Mikroskopen und Einfärbungstechniken konnte die Gruppe von Wissenschaftlern den bis dahin nur vermuteten Mechanismus bestätigen. Dazu wurden Mäusen leuchtende Isotope gespritzt und anschließend verfolgte man deren Weg durch das Gehirn. Dabei fand man heraus, dass Mäuse-Gehirne während des Schlafens damit beschäftigt sind, die Abfallprodukte des Vortags zu entsorgen!
Entscheidender Faktor: ausreichend Schlaf!
Während die Mäuse schliefen, zirkulierte die Gehirn-Flüssigkeit (Liquor) deutlich schneller. Der Schlaf hat somit eine reinigende Wirkung auf das Gehirn und auf giftige Stoffwechselprodukte. Diese können während dem Schlaf deutlich rascher abtransportiert werden als im Wachzustand. Die Hintergründe konnten von den Wissenschaftlern ebenfalls geklärt werden: bei schlafenden Mäusen erweiterten sich die Räume zwischen den Gehirnzellen um 60 Prozent. Dadurch entsteht insgesamt mehr “Freiraum” und es kann mehr Gehirnflüssigkeit durch das Gehirngewebe strömen. Bei wachen Mäusen ist im Vergleich die Fließgeschwindigkeit deutlich geringer. Deshalb gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich im Schlaf die zelluläre Struktur des Gehirns verändert. So können giftige und schädliche Stoffwechselprodukte schneller aus dem Gehirn gespült werden.
Um ganz sicher zu gehen, hat die Forscherin Maiken Nedergaard ihre Versuche an schlafenden Mäusen wiederholt. Dazu wurde der Liquor wieder mit zwei Farbstoffen versetzt und die Anwesenheit dieser im Gehirn mittels Zwei-Pho¬to¬nen-Fluoreszenz gemessen. Wie auch schon in den Vorversuchen vergrößerten sich die interzellulären Räume im Schlaf deutlich. Ihr Anteil am Gesamtvolumen des Gehirns stieg von 14 Prozent um mehr als die Hälfte auf 23 Prozent an. Und genau da kommt es im Schlaf zu einem deutlichen Anstieg der Gehirnflüssigkeit. Gleichzeitig erfolgt eine bessere Durchflutung des Gehirngewebes bis in tiefste Hirnregionen hinein, die laut der Forschungsleiterin überhaupt nur im Schlaf möglich ist. Die Folge von diesem schlafabhängigen Prozess ist ebenfalls eine erhöhte Ausspülung von Beta-Amyloiden, die hauptverantwortlich für die Entstehung von Demenzen und im Besonderen für Morbus Alzheimer sind. Die Forscherin Maken Nedergaard könnte so auch eine weitere Antwort darauf gefunden haben, warum wir Menschen jede Nacht 7-9 Stunden Schlaf benötigen: um unser Gehirn von toxischen Substanzen wie Beta-Amyloiden zu reinigen und zu befreien!
Lesen Sie mehr dazu im Artikel „Forschungsergebnisse sind bedeutsam für die Gegenwart und Zukunft“.