Schlafmangel hat viele Folgen, insbesondere Aufmerksamkeit sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sinken, der Blutdruck steigt. Akuter Schlafmangel nach einer zu kurzen Nacht ist leicht zu beheben, am nächsten Abend früher zu Bett gehen. Chronischer Schlafmangel, wie ihn Eltern in den ersten Lebensmonaten ihres Babys kennen lernen, der aber Menschen, die ständig unter Schmerzen leiden oder aus anderen Gründen schlecht ein- oder durchschlafen können, dauerhaft begleitet, wird von Betroffenen kaum noch als Abweichung vom gesunden Normalzustand wahrgenommen. Deshalb ist es wichtig auch auf ungewöhnliche Anzeichen zu achten.
Für verantwortungsvolle Menschen, die von dem latenten Schlafmangel ihrer Kinder, Partner, Freunde, Kollegen wissen ist es hilfreich die verdeckten Anzeichen eines Schlafdefizit zu kennen. Ein müder Gesichtsausdruck oder häufiges Gähnen kann durchaus auch andere Gründe haben.
Bei Kindern in der Pubertät (eine mehrjährige Erkrankung während der sich Eltern und Lehrer unmöglich benehmen) sind allgemeine Mieslaunigkeit verbunden mit Wortkargheit kaum von akutem Schlafmangel zu unterschieden. Hinzu kommt, dass pubertierende Kinder oft tatsächlich unter Schlafmangel leiden, da sich ihr Tagesrhythmus von Frühaufsteher (Kinder) zu Extrem-spät-Aufsteher (Jugendliche) umstellt, die erste Stunde in der Schule aber immer noch vor 8:00 Uhr beginnt.
Erwachsene sind Menschen, die im Gegensatz zu Jugendlichen wieder freiwillig früher zu Bett gehen. Das kommt auch der Qualität und der Quantität des Schlafs zu Gute, der biographische Abschnitt mit chronischem Schlafmangel ist damit für die meisten Menschen vorerst überwunden. Wenn sich dreißig Jahre später die ersten dauerhaften Schmerzen einstellen, kann sich das leider wieder ändern. Woran erkennt man dann den Schlafmangel bei anderen, aber auch bei sich selbst?
Typische Anzeichen, neben den berühmten „Ringen unter den Augen“ und ständigem Gähnen sind:
– Penetranter Appetit, denn Schlafmangel erhöht die Konzentration des Hormons Ghrelin im Gehirn und das macht hungrig. Ausreichend Schlaf ist daher die beste Unterstützung für eine Reduktionsdiät.
– Schusseligkeit und Tollpatschigkeit. Bewegungen, über die man nicht nachdenkt weil sie Routine geworden sind, misslingen ebenso zuverlässig wie sie ansonsten sicher von der Hand gehen. Schuld daran ist die durch Müdigkeit aus dem Takt geratene Koordination von (unbewusstem) Steuern der Handlung im Gehirn und ihrer motorischen Ausführung durch die Muskulatur.
– Hypersensibilität, übersteigertes (Selbst-) Mitleid aber auch Aggressivität sind Folge eines übermüdeten Gehirns. Die überschießende Reaktion auf beunruhigende Bilder kann die ausgeschlafene um 60% übersteigen.
– Vergesslichkeit, Namen- und Wortfindungsprobleme sind Anzeichen eines erholungsbedürftigen Gehirns. Die Verbindung zwischen Kurzzeit-Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis (Archiv des Nachdenkens) funktioniert nicht mehr zuverlässig. Menschen mit Schlafdefizit wirken unkonzentriert und zerstreut.
– Angegriffenes Immunsystem ist nicht mehr in der Lage vor allgegenwärtigen Infektionskrankheiten zu schützen. Daher erkranken Menschen mit dauerhaft zu wenig Schlaf deutlich häufiger an Erkältungskrankheit. Deren Erreger (Schnupfenviren, Hustenbakterien) sind ständig unterwegs, je mehr Menschen zusammen kommen um so größer ist die Wahrscheinlichkeit. Doch zumeist kann sich das Immunsystem der Attacke erwehren, übermüdete Menschen haben ein weniger fites Immunsystem.
– Keine Lust auf sexuelle Aktivität. Das „miteinander ins Bett gehen“ ist eine schöne Metapher dafür, doch wer wirklich Spass daran haben will sollte erst einmal ausschlafen. Zum einen ist, zumindest bei Männern der relevante Hormonspiegel am Morgen höher, zum anderen verhindert Schlafmangel die Lust an der Lust – bei Männern und Frauen.
Quelle: www.menschenswetter.at
Autor: Diplom-Biologe Holger Westermann, Chefredakteur von Menschenswetter
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