Gastbeitrag von Dr. Tom Moorcroft
Forscher und Mediziner diskutierten lange darüber, weshalb wir überhaupt schlafen. Heute weiß man, dass Schlaf für die Bildung des Langzeitgedächtnisses benötigt wird und dass er Lernen unterstützt. Er ist ein Schlüsselfaktor der Hormonsynthese. Schlaf ist zuständig für Wachstum und Reparatur von Muskeln und Geweben. Und jetzt ist bekannt, dass Schlaf entscheidend für die Entgiftung des Gehirns ist. Tatsächlich findet der weitaus größte Teil der Gehirnentgiftung während dem Schlaf statt.
Im Tagesverlauf sammeln sich Gifte wie β–Amyloid und Tau-Proteine langsam in unserem Gehirn an. Während wir schlafen, fängt ein vor kurzer Zeit entdecktes Gehirn-Reinigungs-System an zu arbeiten: die Glymphe. Der auch Cerebrospinaleflüssigkeit (CBF) genannte Liquor, der das Gehirn umgibt, nährt, schützt und interagiert mit der interstitiellen Flüssigkeit. Er bildet eine Welle, die reinigend durch das Gehirn flutet und so die Gifte, die sich tagsüber bildeten, ausschwemmt. Die Glymphe sind die Abfallentsorgung unseres Gehirns.
So wie sich diese Toxine bilden, so bilden sich auch Entzündungsmediatoren wie das Interleukin-1 beta (IL-1β) und Tumor-Nekrosis-Faktor-Alpha (TNF-α). Wenn die IL-1β sowie TNF-α Pegel steigen, bereitet sich unser Körper auf „schlafen“ vor. Für gewöhnlich fördern diese Entzündungsmediatoren den non-REM-Schlaf. Das ist entscheidend, da der „stage 3 non-REM Zustand“ eine Phase des Tiefschlafs ist – jene Phase, in der das glymphatische System am effektivsten ist. In Phasen von akuter Krankheit sind sowohl IL-1β als auch TNF-α weiter erhöht und unser Körper erfährt einen großen Anstieg der Tiefschlafphasen. Dies zeigt deutlich die erstaunlichen Selbstheilungs- und Selbstregulierungskräfte unseres Körpers. Bei akuter Erkrankung fördert unser Körper tieferen, erholsameren Schlaf und eine ausgeprägtere Gehirnentgiftung.
β–Amyloid-Ablagerungen im Gehirn führen zu kognitivem Abbau und schlussendlich zu Alzheimer. Die Akkumulation von β–Amyloiden im präfrontalen Cortex hängt mit der Unterbrechung von Tiefschlafphasen zusammen und kann die Fähigkeit zur Gedächtnisbildung reduzieren (Mander 2015). Forscher entdeckten, dass eine kürzere Gesamtschlafdauer und geringere Schlafqualität mit einer höheren β–Amyloid Belastung zusammenhängen (Spira 2013). Es sind weitere Forschungen notwendig, um klar bestimmen zu können, ob schlechter Schlaf die Entwicklung von Alzheimer steigert oder tatsächlich die Ursache davon ist. Fatal ist, dass schlechter Schlaf zu einer erhöhten β–Amyloid-Ablagerung führen kann und dass eine höhere β–Amyloid Belastung den Schlaf verschlechtert. Ein sich selbst erhaltender Kreislauf von andauernder kognitiver Abnahme und abnehmender Schlafqualität beginnt.
Darüber hinaus führt schlechter Schlaf zu einer Überaktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-(HPA)-Achse, dem wichtigsten Hormonsystem unseres Körpers. Dieses System ist multifunktional: es reguliert die Stresshormone, den Stoffwechsel, Schlaf, lernen und soziale Interaktionen. Chronisch erhöhte Werte der Stresshormone erhöhen die Entzündungen im ganzen Körper und führen oft zu schlechter Schlafqualität und Schlaflosigkeit. Die Fähigkeit zur Gehirnentgiftung nimmt ab.
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Quelle: Dr. Tom Moorcroft, DO (Osteopathie), 2017
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